Letzte Aktualisierung am 3. Oktober 2024 von Dr. Michael Zechmann-Khreis
Als Laktoseintoleranz bezeichnet die Unfähigkeit des Organismus Milchzucker (Laktose) richtig zu verdauen und das damit einhergehende Auftreten von gastro-intestinalen Beschwerden. Milchzucker ist ein Zweifachzucker, er besteht also aus zwei Einzelzuckern. Laktose kommt in fast allen Milchprodukten vor und wird normalerweise im Dünndarm durch ein Enzym, die Laktase, in seine zwei Einzelzucker gespalten. Dieses Enzymwird in der Dünndarmwand gebildet und spaltet die Laktose in ihre beiden Bestandteile Galactose (Schleimzucker) und Glukose (Traubenzucker) auf. Diese Einfachzucker können dann über die Darmschleimhaut, mit Hilfe von Transportproteinen, in den Körper aufgenommen werden. Bei Personen mit Laktoseintoleranz fehlt dieses Enzym (oder ist nur unzureichend vorhanden), dadurch wird nicht der gesamte angeflutete Milchzucker gespalten. Der nicht gespaltene Milchzucker gelangt weiter in den Dickdarm. Dort sitzen Bakterien, welche die Laktose verarbeiten und dabei Gase und kurzkettige Fettsäuren erzeugen, die u.a. dann zu den typischen Symptomen der Laktoseintoleranz führen.
Arten der Laktoseintoleranz
Primäre Laktoseintoleranz
Zu der primären Laktoseintoleranz zählt man drei verschiedene Formen.
Endemische oder ethnische Laktoseintoleranz
Hierunter versteht man die weltweit häufigste Form der Laktoseintoleranz. Etwa 70%5 der Weltbevölkerung haben diese Form. Sie ist genetisch bedingt und stellt keine Erkrankung dar, sondern ist der Normalzustand. Sie tritt vermehrt in wärmeren sonnenreichen Gegenden auf. Die Fähigkeit Laktose zu verdauen haben grundsätzlich alle Säugetiere, also auch der Mensch. Bei allen Säugetieren verringert sich bzw. verschwindet diese Fähigkeit jedoch mit zunehmendem Alter. Denn Erwachsene trinken, biologisch gesehen, keine Milch. Auffallend ist das Nord-Süd-Gefälle: Während im hohen Norden nur 2-5% der Menschen diese Form haben, sind es im Dach Raum 15-20% und im südlichen Mittelmeerraum schon bis zu 60%. In Ostasien und Afrika tritt sie sogar bei bis zu 100% der Bevölkerung auf.
Bei einem Teil der europäischen Menschen hat sich in der Evolution eine genetische Variante entwickelt, die weiterhin als Erwachsene Milch verdauen kann. Grund für das Fortbestehen der Enzymproduktion ist eine Mutation eines bestimmten Gens. So wird weiterhin Laktase produziert, auch im Alter. Eine genauere Erläuterung zu dieser Form der Laktoseintoleranz findest du in unserem Artikel zur weltweiten Verteilung der Laktoseintoleranz.
Achtung: Der Gentest auf Laktoseintoleranz ist nicht aussagekräftig, ob du Symptome hast oder nicht. Lese dazu bitte en Artikel zur Diagnose der Laktoseintoleranz.
kongenitaler Laktasemangel
Dies ist ein autosomal-rezessiver Gendefekt bei dem nicht die geringste Menge an Laktase gebildet wird. Diese Form ist äußerst selten und betrifft bereits Neugeborene. Dieser Defekt ist vor allem in Finnland zu beobachten.1
entwicklungsbedingte Laktoseintoleranz
Das ist eine sehr seltene und ausschließlich bei Frühgeburten-Kindern zu beobachtende Laktoseintoleranz. Ab der 8. Schwangerschaftswoche bildet der Embryo bereits Laktase. Diese Produktion steigt bis zur 34. Woche an, um bei der Geburt ein Maximum zu erreichen. Frühgeborene die vor der 32. Woche geboren wurden, sind oft nicht in der Lage ausreichend Laktase zu produzieren, weshalb sie laktoseintolerant sind. Diese Form der Laktoseintoleranz ist reversibel und hat keine Auswirkungen auf eine Laktoseintoleranz im späteren Leben.
Sekundäre Laktoseintoleranz
Gesundheitsbedingte Laktoseintoleranz
Bei dieser Form gibt es keine genetische Grundlage. Sie entsteht, weil eine Erkrankung oder Beeinträchtigung der Dünndarmschleimhaut vorliegt. Auch als Nebenwirkung von bestimmten Medikamenten kann sie auftreten. Diese Form der Laktoseintoleranz bildet sich wieder zurück, wenn die Schleimhaut wieder regeneriert ist bzw. die Ursache der Intoleranz beseitigt wurde.
Wenn zum Beispiel aufgrund einer Zöliakie der Darm derart geschädigt ist, dass keine bzw. kaum noch Laktase mehr produziert werden kann, liegt sekundäre Laktoseintoleranz vor. Wenn sich bei glutenfreier Ernährung der Darm wieder erholt, so kann diese Fähigkeit wieder zurückkehren. Die sekundäre Laktoseintoleranz ist damit „ausgeheilt“.
Ernährungsbedingte Laktoseintoleranz
Es kann auch passieren, dass man Symptome einer Laktoseintoleranz erfährt, weil die eigene Ernährung nicht ideal ist. Das passiert, wenn auf nüchternen Magen zu viel Laktose aufgenommen wird, zum Beispiel durch Milchmischgetränke und Fertigprodukte mit Milchtrockenprodukten. Man flutet den Darm also mit mehr Laktose, als die eigentlich ausreichend vorhandene Laktase spalten kann. Wenn dann noch die Transitzeit kurz ist, der Nahrungsbrei also schnell durch den Verdauungstrakt befördert wird, dann gelangt Laktose in den Dickdarm und wird von den Bakterien verarbeitet.
Auch das Mikrobiom spielt eine Rolle. Je nach Zusammensetzung entstehen mehr oder weniger Gase und damit mehr oder weniger Symptome.
Milchallergie oder Laktoseintoleranz?
Von der Laktoseintoleranz oder Laktoseunverträglichkeit unterscheiden sich die Milchallergien ( Kaseinallergie, Kuhmilchallergie, Laktoglobulinallergie, Schimmelkäseallergie4). Dies sind keine Intoleranzen auf Laktose (einen Zucker), sondern echte Allergien auf bestimmte Eiweiße der Milch. Bei den Allergien reichen kleinste Mengen aus, um Symptome hervorzurufen. Bei der Laktoseintoleranz sind geringe Mengen unbedenklich.
Zusammenfassung
Laktoseintoleranz ist die Unfähigkeit, Milchzucker (Laktose) richtig zu verdauen, was zu Magen-Darm-Beschwerden führt. Laktose, ein Zweifachzucker, wird normalerweise im Dünndarm durch das Enzym Laktase in Galactose und Glukose gespalten. Bei Laktoseintoleranz fehlt dieses Enzym oder ist unzureichend vorhanden, sodass ungespaltene Laktose in den Dickdarm gelangt, wo Bakterien sie verarbeiten und Gase sowie kurzkettige Fettsäuren erzeugen, die Symptome verursachen.
Die Menge der gegessenen Laktose spielt für das Auftreten von Symptomen eine große Rolle, ebenso wie die Nahrungszusammensetzung bezüglich Fetten, Proteinen, Ballaststoffen oder Mineralien. Auch die Verweildauer im Verdauungstrakt spielt eine Rolle. Das heißt man kann nicht generell sagen, dass man eine gewisse Menge an Laktose verträgt oder nicht verträgt, da es immer abhängig vom tagesaktuellen Zustand ist. Man kann die eigene Verträglichkeit aber meistens gut einschätzen. Lese bitte auch unseren Artikel zum Thema Therapie der Laktoseintoleranz.
Quellen u.a.
- Catanzaro, R., Sciuto, M. & Marotta, F. Lactose intolerance: An update on its pathogenesis, diagnosis, and treatment. Nutr. Res. 89, 23–34 (2021).
- Ledochowski M. (Herausgeber), „Klinische Ernährungsmedizin“, Springer-Verlag, 2009
- Vogelreuter A., „Nahrungsmittelunverträglichkeiten“, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2012Weiterfüphrende Links
- DocCheck, abgerufen am 1.9.2024
- R. A. Forsgård, „Lactose digestion in humans: intestinal lactase appears to be constitu tive whereas the colonic microbiome is adaptable“, Am. J. Clin. Nutr., Bd. 110, Nr. 2, S. 273–279, Aug. 2019, doi: 10.1093/ajcn/nqz104.