Die Ansicht, dass der längere Verzicht auf Laktose die Fähigkeit Laktase zu produzieren und somit Laktose zu verdauen minimiert, war bis vor kurzem eine gängige Ansicht. Doch neuere Forschungen zur Laktaseaktivität hegen Zweifel an dieser Doktrin und öffnen neue Wege in der Therapie der Laktoseintoleranz. Was ist dran? Ich hab‘s mir mal genauer angeschaut.
Wer Laktose isst, verändert die Enzymproduktion nicht
Studien zeigen, dass die Aufnahme von Laktose die Aktivität des Enzyms Laktase im Körper nicht beeinflusst. Das bedeutet, dass Menschen, die wenig oder keine Laktase produzieren, durch den Konsum von Milchzucker keine Verbesserung ihrer Enzymaktivität erfahren. Die Daten deuten darauf hin, dass die Regulation der Laktaseaktivität genetisch bedingt ist. Das Problem: Diese Erkenntnisse stammen aus Studien, die meist nur wenige Teilnehmer:innen hatten.
Andere Studien wurden hauptsächlich an Menschen durchgeführt, die genetisch bedingt wenig oder keine Laktase produzieren. Es wäre interessant, diese Untersuchungen auf Menschen mit unterschiedlichen genetischen Hintergründen auszuweiten, um ein breiteres Spektrum an Ergebnissen zu erhalten. Außerdem variiert das Alter, in dem Menschen Laktose nicht mehr vertragen, stark zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Es wäre daher spannend, die genetischen und epigenetischen Faktoren zu erforschen, die diese Veränderungen auslösen.
Bakterien helfen bei Laktoseintoleranz
Es gibt Bakterien, die davon leben Laktose zu essen. Wir finden sie vor allem als Joghurtkulturen. Sie bilden eine andere Laktase als wir sie bilden, die sogenannte β-Galaktosidase. Ja, Bakterien haben eine andere Laktase als wir Säugetiere! Das ist übrigens auch die Laktaseart, die wir in den Enzymprodukten finden. Aber warum hilft uns das nun? Es geht dabei um die sogenannte β-Galaktosidase-Aktivität. Gewisse Bakterienarten und Stämme haben eine höhere β-Galaktosidase-Aktivität als andere. Je mehr Bakterien wir mit einer höheren Aktivität haben, desto besser für uns Laktoseintoleranten. Ernähren wir uns nun aber längere Zeit laktosefrei, so verhungern diese Bakterien. Und das ist schlecht für uns. Essen wir trotz Laktoseintoleranz ein bisschen Laktose, füttern wir diese Bakterien, was wiederum gut für uns ist, denn wir können dadurch mehr Laktose vertragen und wir haben noch andere Gesundheitsbenefits. Allerdings ist diese Theorie noch nicht vollständig geklärt und erfordert weitere Forschung. Sorry.
Was heißt das nun für uns?
Der Verzicht auf laktosehaltige Lebensmittel ist die wichtigste therapeutische Maßnahme für Menschen mit Laktoseintoleranz. Zusätzlich kann die Einnahme von Laktase als enzymatisches Nahrungsergänzungsmittel sowie von speziellen Probiotika-Stämmen mit β-Galaktosidase-Aktivität die Laktosetoleranz und Lebensqualität verbessern.
Ich werde jedenfalls weiterhin Laktasetabletten beim Ausgehen oder beim Verzehr eines Kuchenstücks mit Sahne verwenden. Und ich werde meinem Darm weiterhin immer wieder Ballaststoffe in Form von Hülsenfrüchten essen, um meine Darmflora zu füttern. Und ich werde weiterhin kleinere Mengen an Laktose zuführen. Vor allem nach dem Essen. Und vor allem durch nicht-laktosefreies Joghurt. Denn das enthält ein bisschen Laktose und genau die Bakterien, die eine solche β-Galaktosidase-Aktivität haben.
Literatur
- R. A. Forsgård, „Lactose digestion in humans: intestinal lactase appears to be constitu tive whereas the colonic microbiome is adaptable“, Am. J. Clin. Nutr., Bd. 110, Nr. 2, S. 273–279, Aug. 2019, doi: 10.1093/ajcn/nqz104.
- A. Szilagyi, „Adult Lactose Digestion Status and Effects on Disease“, Can. J. Gastroenterol. Hepatol., Bd. 29, Nr. 3, S. 149–156, 2015.
- F. Fassio, M. S. Facioni, und F. Guagnini, „Lactose Maldigestion, Malabsorption, and Intolerance: A Comprehensive Review with a Focus on Current Management and Future Perspectives“, Nutrients, Bd. 10, Nr. 11, S. 1599, Nov. 2018.