Letzte Aktualisierung am 9. März 2025 von Dr. Michael Zechmann-Khreis
Histaminintoleranz ist eine komplexe Stoffwechselstörung, bei der der Körper Histamin nicht effizient abbauen kann. Dies führt zu einer Vielzahl von Symptomen, darunter Kopfschmerzen, Hautreaktionen, Verdauungsprobleme, Kreislaufbeschwerden und Atemwegssymptome. Die Behandlung der Histaminintoleranz erfordert eine Kombination aus gezielter Ernährung, unterstützenden Medikamenten und einem gesunden Lebensstil. Da die Verträglichkeit von Lebensmitteln individuell sehr unterschiedlich ist, ist es wichtig, sich Zeit für die Ernährungsumstellung zu nehmen und die eigene Toleranzgrenze durch eine strukturierte Testphase zu bestimmen. Durch eine langfristig ausgewogene Ernährung, die den individuellen Bedürfnissen angepasst ist, lassen sich Beschwerden in den meisten Fällen deutlich reduzieren oder sogar vollständig vermeiden.
Histaminintoleranz erkennen und behandeln
Die Diagnose der Histaminintoleranz ist nicht immer einfach, da die Symptome individuell variieren und mit anderen Unverträglichkeiten verwechselt werden können. Ein wesentlicher Schritt in der Therapie ist daher das Führen eines Symptomtagebuchs, um festzustellen, welche Lebensmittel und Lebensgewohnheiten Beschwerden auslösen. Eine mögliche Ursache der Histaminintoleranz ist ein Mangel an bestimmten Nährstoffen wie Kupfer und Vitamin C, die eine zentrale Rolle beim Histaminabbau spielen. Daher kann es sinnvoll sein, zunächst den Kupferspiegel ärztlich testen zu lassen und ihn gegebenenfalls durch eine Supplementierung auszugleichen.
Vitamin C unterstützt nachweislich den Histaminabbau, weshalb eine gezielte Einnahme dabei helfen kann, Symptome zu reduzieren. Neben der Nährstoffversorgung sollte auch überprüft werden, ob eingenommene Medikamente die Aktivität des DAO-Enzyms (Diaminoxidase) oder MAO hemmen, welche u.a. für den Abbau von Histamin im Körper verantwortlich sind.
Ernährungsumstellung als zentrale Therapie
Eine der effektivsten Maßnahmen zur Behandlung der Histaminintoleranz ist die Ernährungsumstellung in drei Phasen. Der erste Schritt besteht in einer sogenannten Karenzphase, die in der Regel 10 bis 14 Tage dauert. In dieser Zeit wird strikt auf Lebensmittel verzichtet, die hohe Mengen an biogenen Aminen enthalten, um herauszufinden, welche Nahrungsmittel problematisch sind und um die Symptome zu lindern.
Während der Karenzphase sollten folgende Lebensmittel gemieden werden:
- Gereifter Käse, gepökeltes oder fermentiertes Fleisch, Fischkonserven
- Alkohol, insbesondere Rotwein und Bier
- Fermentierte Produkte wie Sauerkraut oder Sojasauce
- Zitrusfrüchte, Erdbeeren, Nüsse, schwarzer und grüner Tee sowie Kaffee
Stattdessen wird eine frische, histaminarme Ernährung empfohlen, die auf unverarbeiteten Lebensmitteln basiert. Empfehlenswert sind frisches Gemüse wie Zucchini, Karotten, Kürbis, Gurken oder Fenchel sowie proteinarme Beilagen wie Reis oder Kartoffeln. Generell ist eine reine Kartoffel-Reis-Diät in den ersten Tagen ein guter Start in die Karenzphase. Ein Symptomtagebuch kann helfen, individuelle Reaktionen auf bestimmte Nahrungsmittel festzuhalten und die persönliche Verträglichkeit besser einzuschätzen.
Nach der Karenzphase folgt die Testphase, in der einzelne Lebensmittel schrittweise wieder eingeführt werden. Die Verträglichkeit kann individuell sehr unterschiedlich sein, weshalb es wichtig ist, neue Lebensmittel in kleinen Mengen zu testen und auf auftretende Symptome zu achten. Der Übergang von der Testphase zur Dauerernährung sollte möglichst sanft gestaltet werden, um eine langfristig ausgewogene und verträgliche Ernährung zu ermöglichen.
Tierische und pflanzliche Lebensmittel in der histaminarmen Ernährung
Während der Karenz- und Testphase ist es wichtig, zwischen verschiedenen Lebensmittelgruppen zu differenzieren. Tierische Produkte sollten möglichst frisch verzehrt oder direkt nach dem Kauf eingefroren werden, um eine übermäßige Histaminbildung zu vermeiden. Besonders problematisch sind gereifte, gepökelte oder geräucherte Fleischwaren wie Salami oder Schinken sowie Fischkonserven und geräucherter Fisch. Frische Fleischsorten wie Huhn, Pute oder Rind werden in der Regel besser vertragen.
Auch pflanzliche Lebensmittel enthalten unterschiedliche Mengen an Histamin und biogenen Aminen. Während Gemüse wie Zucchini, Karotten und Fenchel gut verträglich ist, sollten Auberginen, Spinat und Tomaten eher mit Vorsicht genossen werden. Auch einige Früchte wie Avocados, Bananen, Erdbeeren und Zitrusfrüchte können aufgrund ihres hohen Gehalts an Putreszin und Tyramin Symptome auslösen.
Keimlinge von Hülsenfrüchten sind eine natürliche Quelle des DAO-Enzyms und können den Histaminabbau im Körper unterstützen. Besonders Mungbohnen, Kichererbsen und Linsen zeigen eine hohe Enzymaktivität und können eine natürliche Alternative zu DAO-Präparaten darstellen.
Histaminliberatoren
Einige pflanzliche Nahrungsmittel gelten als Histaminliberatoren. Vor einigen Jahren wusste man schon, dass diese Produkte kein Histamin enthalten, Menschen aber doch darauf reagieren. Man erdachte die Hypothese der Freisetzung körpereigenen Histamins durch diese Nahrungsmittel und zählte sie als Histaminliberatoren auf. Diese Hypothese gilt mittlerweile als veraltet und überholt. Vergleichen wir die Liste der pflanzlichen Histaminliberatoren (z.B. Zitrusfrüchte, Nüsse, Tomaten, Erdbeeren, Bananen und Ananas) mit der Liste der Produkte die einen hohen biogenen Amingehalt haben. Es sind dieselben. Es gilt aktuell als wahrscheinlicher, dass es keine Histaminliberatoren gibt, sondern, dass das Problem die hohen biogenen Amingehalte dieser Produkte sind. Meiden müssen wir also dennoch, egal aus welchem Grund.
Tabelle: Einige Nahrungsmittel die in der Karenz- und Testphase als verträglich und nicht verträglich gelten.
Lebensmittelgruppe | Sehr gut verträglich | Nicht verträglich |
---|---|---|
Gemüse | Zucchini, Möhren, Pastinaken, Kürbis, Gurke, Blumenkohl, Süßkartoffeln, Fenchel, Brokkoli (in kleinen Mengen) | Spinat, Auberginen, Tomaten, Avocados, Erbsen, Sojabohnensprossen, Olive, Zitronen, Sauerkraut und fermentiertes Gemüse |
Obst | Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Heidelbeeren | Bananen, Erdbeeren, Grapefruits, Kiwis, Mandarinen, Orangen, Papayas, Passionsfrucht, Pflaumen |
Getreide & Beilagen | Reis, Hirse, Quinoa, Haferflocken, Kartoffeln, Mais, alle Getreidearten inkl. Nudeln | Sauerteigbrot |
Fleisch & Fisch | Frisches, ungewürztes Fleisch (Huhn, Pute, Rind, Lamm), Eier, Kochschinken | Wurstwaren, Konserven, Fischkonserven, Thunfisch, verarbeitete Fische, Innereien, stark verarbeitetes Fleisch (Speck, Trockenfleisch …), Fischsaucen |
Milchprodukte | Frische Produkte wie Butter, Frischkäse, Sahne, Joghurt, junger Käse (Gouda max. 3 Monate gereift) | lange gereifter Käse, Schimmelkäse |
Hülsenfrüchte & Nüsse | Macadamia, Edelkastanie (Maroni), Kokosnuss, Hülsenfrucht-Keimlinge | Nüsse, Pistazien, Hülsenfrüchte |
Getränke | Stilles Wasser, Kräutertees (z. B. Kamille, Fenchel, Melisse), Reis-, Mandel- oder Hafermilch | Kaffee, Kakao, Alkoholika, Sojamilch, Energydrinks, Cola |
Fette, Öle, Essig, Gewürze | Rapsöl, Olivenöl (möglichst frisch), Butter, Kokosöl, Verjus, Branntweinessig, Apfelessig, Salz (auch jodiertes), Pfeffer | Balsamico, Wienessig, Sonnenblumenöl, Sojasauce, Fischsaucen, Zusatzstoffe, Aromen |
Medikamentöse Unterstützung und natürliche Hilfsmittel
Neben der Ernährungsumstellung kann die medikamentöse Behandlung der Histaminintoleranz eine wertvolle Unterstützung bieten. Antihistaminika blockieren die Wirkung von Histamin im Körper und können helfen, akute Symptome wie Hautreaktionen, Magen-Darm-Beschwerden oder Kopfschmerzen zu lindern.
DAO-Präparate, die das Enzym Diaminoxidase enthalten, werden häufig vor histaminreichen Mahlzeiten eingenommen, um den Histaminabbau zu fördern. Sie ersetzen jedoch keine histaminarme Ernährung, sondern dienen lediglich als unterstützende Maßnahme.
Darüber hinaus gibt es natürliche Stoffe, die eine antientzündliche und histaminabbauende Wirkung haben können. Vitamin C und Quercetin sind dafür bekannt, die Histaminfreisetzung zu hemmen und entzündungshemmend zu wirken. Hochwertige Quellen für Quercetin sind Äpfel, Zwiebeln, Heidelbeeren und grüne Bohnen. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass die menge des Quercetins in diesen Nahrungsmitteln unterhalb einer relevanten Menge liegt. Aber schaden tut es nicht und gleichzeitig nimmt man ja Vitamin C zu sich.
Darmgesundheit und Stressmanagement bei Histaminintoleranz
Ein gesunder Darm spielt eine entscheidende Rolle bei der Histaminverarbeitung. Probiotika, die speziell darauf abgestimmt sind, kein zusätzliches Histamin zu produzieren, können helfen, das Mikrobiom zu stabilisieren. Präbiotische Lebensmittel wie ballaststoffreiches Gemüse tragen ebenfalls zur Unterstützung der Darmflora bei. Wer Joghurt verträgt sollte unbedingt immer wieder verschiedene Sorten als natürliches Probiotikum konsumieren.
Neben der Ernährung kann auch Stress einen erheblichen Einfluss auf die Histaminintoleranz haben. Stress fördert die Histaminfreisetzung und kann Symptome verstärken. Entspannungstechniken wie Atemübungen, Meditation und regelmäßige Bewegung können dazu beitragen, den Histaminspiegel im Körper zu regulieren und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern.
Quellen
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