Letzte Aktualisierung am 9. September 2024 von Dr. Michael Zechmann-Khreis
Die Therapie der Fruktoseintoleranz sollte jedenfalls unterstützt durch eine staatlich geprüfte und anerkannte Ernährungsberatung stattfinden. Die Behandlung und ein Leben mit bedarfsgerechter und schmackhafter Ernährung ist möglich.
Das drei Phasen-Programm
Karenzphase
In den ersten zwei Wochen der Therapie der Fruktoseintoleranz sollte man so gut wie möglich auf Fruchtzucker, Zucker und Zuckeralkohole verzichten, um dem Darm eine gewisse Erholung zu gönnen. Wichtig ist auch, in den ersten Wochen blähende Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Kohl und zu viele Ballaststoffe zu vermeiden. Nach etwa zwei Wochen (maximal vier Wochen, die Empfehlung liegt jedoch bei zwei Wochen) können diese Nahrungsmittel dann wieder langsam in die Diät eingeführt werden. Wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von 2-3 Litern pro Tag (Wasser, keine kohlensäurehaltigen Getränke, kein Alkohol).
Es ist falsch anzunehmen, dass man bei Fruktoseintoleranz überhaupt keine Fruktose mehr zu sich nehmen darf. Nach der Karenzphase sollte man mit geringen Mengen Fruktose – sowohl freier als auch gebundener – beginnen und die Menge langsam steigern. Ein vollständiger Verzicht auf Fruktose oder eine zu geringe Fruktosezufuhr können die Fruktoseintoleranz verschlechtern.
Das Kapitel Karenzphase ist sehr komplex, und du solltest dich unbedingt von einer staatlich geprüften Ernährungsberatung begleiten lassen. Wir haben auch ein Buch über die Karenzphase bei Fruktoseintoleranz geschrieben, das diese Zeit sehr genau erklärt und viele Rezepte enthält.
Sobald man sich besser fühlt (das wird bald sein) und keine Symptome mehr auftreten, kann man die Karenzphase beenden und die Behandlung der Fruktoseintoleranz mit der Testphase fortführen.
Grundsätzliche Punkte der Karenzphase
- Beginne die Karenzphase immer in Absprache mit deinem Ärzt*innen-Team und/oder Diätolog:innen
- Hast du Zeit dich in den kommenden Wochen mit deiner Ernährung zu beschäftigen? Die Karenzphase sollte man in einer stressfreien Zeit machen.
- Die Fastenzeit bietet sich an, da man hier keinen sozialen Druck erwarten muss, weil man fastet.
- Konzentriere dich aufs Essen, d.h. nicht nebenher Zeitung lesen oder fernsehen.
- Führe ein Ernährungs- und Symptomtagebuch
- Mangelerscheinungen: Durch die darmschädigende Ernährung können bei unbehandelter Fruktoseintoleranz Mangelerscheinungen auftreten. Vor der Karenzphase sollte dein Arzt bzw. deine Ärztin daher ein Blutbild machen, um etwaige Mängel zu erkennen. Während der Karenzphase musst du aber keine Angst haben, Mängel zu entwickeln. Nach der Karenzphase sollte man aber auf eine ausgewogene Ernährung achten.
- Achte auf zusätzliche Intoleranzen oder Allergien.
- Achte auf andere Krankheiten, die deine Fastenzeit gefährlich machen könnten. Dies betrifft zum Beispiel Lebererkrankungen oder Essstörungen.
- Während Antibiotikaeinnahme sollte man keine Karenzphase starten.
- Lass dich nicht durch andere beeinflussen. Wir leben in einer Kultur, in der jeder glaubt, ein Experte zu sein – vor allem, wenn es um die Ernährung geht.
Essen und Trinken in der Karenzphase
- Verwende unsere Fruktosetabelle oder die App „Frag Ingrid!„
- Das „Gramm-Zählen“ ist nicht zielführend, da Fruktosetabellen immer nur Richtwerte oder Erfahrungen anderer angeben.
- Beginnen Sie die ersten Tage ohne jegliches Gemüse und Obst sowie ohne jegliche Zuckerarten.
- Trinke am besten nur Leitungswasser und Kräutertees (z.B. Anis-Fenchel-Kümmel).
- Koffein und Zigaretten: Wenn du deinen Kaffee oder Tee nur mit Zucker trinken möchtest, ersetze diesen durch Steviaprodukte (Zutatenliste beachten) oder Traubenzucker. Andere Süßstoffe sind nicht zu empfehlen, da viele Betroffene diese ebenfalls schlecht vertragen. Nach der Karenzphase kannst du Süßstoffe einzeln testen und gegebenenfalls wieder in den Speiseplan aufnehmen. Noch besser ist es, den Kaffee ganz vom Speiseplan zu streichen. Koffein versetzt den Körper in eine Art Stresszustand, der sich oft auf den Magen auswirkt. Daher solltest du in der Karenzphase generell auf Koffein verzichten. Auch Zigaretten sollten vermieden werden, da Nikotin den Darm in Unruhe versetzt. Schwarztee wird oft – aber nicht immer – vertragen. Wer auf Koffein nicht verzichten kann, sollte es ausprobieren. Die Gerbstoffe im Schwarztee sind gut für den Magen. Grüner Tee oder Mate-Tee werden meistens auch gut vertragen.
- Koche immer selbst und frisch.
- Iss keine Fertigprodukte.
- Iss kleine Portionen, dafür lieber mehrmals am Tag.
- Blähungen und Darmgeräusche sind normal. Was wir, vor allem wir Intoleranzpatient*innen, gerne vergessen, ist, dass unser Verdauungssystem laut ist und stinkt. Gase und unangenehme Gerüche entstehen beim Verdauen. Unser Darm gurgelt manchmal, blubbert, zwickt und unser Verdauungsapparat lässt die entstandenen Gase durch die einzigen zwei möglichen Öffnungen, den Mund und den After, entweichen. Das ist ganz normal. Auch unser Stuhl ist manchmal fest, manchmal weicher. Nicht jedes Zwicken und Gurgeln, jeder weiche Stuhl und jedes Aufstoßen ist ein Symptom oder Hinweis auf zu viel Konsum von Fruktose, Laktose, Sorbit oder anderen Stoffen.
- Mach keine Ausnahmen! Die Karenzphase kann man gut meistern, ohne Schokolade oder süße Sünden.
Die Testphase
Je nach Lust und Laune kann man damit beginnen, kleine Mengen an Fruchtzucker zu sich zu nehmen. Dabei sollte man genau auf die Reaktionen des Körpers achten – und weitzerhin ein Ernährungs- und Symptomtagebuch führen. Jetzt kann man vor allem auch wieder Haushaltszucker und langkettige Zucker wie Inulin oder Oligofructose in kleinen Mengen essen. Die Testphase dauert üblicherweise einige Wochen bis Monate und ist stark von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Im Endeffekt geht es darum: Finde heraus, was du verträgst, und lass dich nicht von anderen beeinflussen! Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf verschiedene Mengen an Fruktose und jeder Mensch reagiert von Tag zu Tag anders auf die gleichen Mengen, denn auch die Zusammensetzung des Nahrungsbreis, Sport oder Stress spielen eine Rolle. Das heißt aber nicht, dass jede Körperreaktion auf die Fruktose zurückzuführen ist. Man darf nicht den Fehler machen, jedes Zwicken und Püpschen sofort als Symptom aufzufassen. Dass der Darm Geräusche macht und man hin und wieder Darmwinde hat, ist völlig normal.
Auch diese Testphase sollte von einer qualifizierten Ernährungsberatund begleitet werden, vor allem, um Mangelerscheinungen und einseitigem Essen vorzubeugen. Vor allem die Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen wie Vitamin A, Vitamin C, Folsäure, Kalium, Magnesium und Zink kann bei Menschen mit Fruktoseunverträglichkeit gefährdet sein, da sie wenig Obst und Gemüse verzehren. Gut verträgliche Obstsorten sollten daher regelmäßig gegessen werden. Auch eine Zufuhr von Vitaminen über Nahrungsergänzungsmittel (verordnet durch den Arzt/die Ärztin) kann sinnvoll sein.
Noch ein paar hilfreiche Alltagstipps:
- Auf nüchternen Magen verträgt man Fruchtzucker schlechter als auf vollen Magen.
- Viele Betroffene vertragen nachmittags Fruktose besser als vormittags.
- Fettreiche Mahlzeiten verlangsamen die Darmpassage, wodurch mehr Fruktose aufgenommen werden kann.
- Sport verringert die Darmpassage, daher verträgt man vor dem Sport weniger Fruktose als nach dem Sport.
- „Light“ Produkte enthalten oft nicht verträgliche Süßungsmittel. Vor allem in Light-Limos findet man manchmal Fruktose statt Saccharose als Süßungsmittel. Lies hier immer die Zutatenliste.
- Statt Honig oder Zucker kann man Reissirup, Erythrit, Stevia oder Traubenzucker ( inkl. Reissirup) verwenden. Man sollte keine anderen Sirupe verwenden! Zucker ist meistens in geringen Mengen verträglich, da er aus gleichen Teilen Fructose und Glucose besteht. Nicht alle Zuckeralkohole sind unverträglich! Vor allem Xylit und Erythrit gelten als gut verträglich. Das ist natürlich kein Freibrief für übermäßigen Verzehr.
Die Dauerernährung
Kennt man seine Grenzen und seine Verdauung etwas besser, so sollte man in die Dauerernährung oder Langzeiternährung übergehen. Das ist die letzte Phase der Therapie. Hier ist das Ziel, eine annähernd normale Ernährung zu gewährleisten, die vor allem bedarfsgerecht und bedürfnisgerecht ist. Heute empfiehlt man keine allgemeinen Ernährungsvorschriften mehr, sondern eine individuell ausgearbeitete Ernährung. Der Vorteil der individuellen Ernährungstherapie ist, dass man auf die Bedürfnisse und mögliche andere Belastungen eingehen kann. So eine Ernährungstherapie sollte aber unbedingt mit einem Profi erarbeitet werden und nicht auf eigene Faust oder durch Beratung in Internetforen stattfinden.
In der Dauerernährung hat sich gezeigt, dass ein jährliches Fruktosefasten, also eine Karenzphase von 1-2 Wochen, die Fähigkeit des Körpers steigert, Fruktose zu vertragen. Diese Empfehlung der Therapie der Fruktoseintoleranz stammt aus der Beobachtung und Rückmeldung vieler Betroffener hier am nmi-Portal und findet sich daher nicht in offiziellen Empfehlungen der Fachgesellschaften.
Therapie der Fruktoseintoleranz: Akute Maßnamen
Wenn man einmal die Diät vergessen hat oder einfach über die Stränge geschlagen hat, plagen einen die üblichen Symptome der Fruktoseintoleranz. Hier helfen einige Tricks: Man kann Wärmflaschen auf den unteren Bauch legen. Diese Behandlung entspannt den Bauch. Zur Therapie kann man auch Schafgarben-, Fenchel-, Kümmeltee und andere entblähende Tees trinken. Bei Sodbrennen kann man mit geeigneten Medikamenten oder Tees gegensteuern. Auch die Übelkeit kann mit Ingwertee, der fruktosearm ist, oder entsprechender Medikation behandelt werden. Bitte sprich diese Maßnahmen immer mit deinem Arzt oder deiner Ärztin ab. Er oder sie wird mit dir zusammen die richtige Medikation finden.
Wichtig ist natürlich, gar nicht erst über die Stränge zu schlagen bzw. die Symptome von vornherein zu vermeiden. Sollte man Durchfall bekommen, ist es ratsam, weiches Toilettenpapier zu verwenden und nach dem Stuhlgang den After mit einer Hautcreme oder Wundheilsalbe einzuschmieren.
Der Traubenzucker-Trick
Die Aufnahme von Fruktose wird durch die gleichzeitige Aufnahme von Glukose deutlich verbessert. Da Traubenzucker die Aufnahme von Fruktose im Dünndarm erleichtert, kann die Aufnahme von Glukose die Verträglichkeit fruktosehaltiger Speisen verbessern.
Wichtig ist hier vor allem, dass Traubenzucker sehr schnell resorbiert wird, während Fruktose relativ lange im Darm verbleibt. Das heißt, wenn man 1g Fruktose und 1g Glukose zu sich nimmt, so ist bereits nach kurzer Zeit ein Fruktoseüberschuss vorhanden, da die Glukose schneller aufgenommen wurde. Daher empfiehlt es sich, mehr Glukose als Fruktose zu sich zu nehmen.
Achtung: Dieser Trick sollte nur selten – und nach der Karenzzeit – angewendet werden, da der übermäßige Verzehr von Traubenzucker negative Auswirkungen auf den Insulinspiegel und andere Ernährungsfaktoren hat.
Enzym zum Einnehmen
Auch für intestinale Fruktoseintoleranz gibt es mittlerweile Hilfe in Tablettenform: das Enzym Xylose-Isomerase (oft auch Glucose-Isomerase genannt). Dieses Enzym wandelt die Fruktose im Dünndarm in Glukose um, aber auch Glukose in Fruktose. Im Prinzip wendet man hier den „Traubenzuckertrick ohne Traubenzucker“ an, denn die gegessene Fruktose wird zu Glukose umgewandelt und dann aufgenommen. Das Enzym hat die Eigenschaft, immer ein Gleichgewicht zwischen Fruktose und Glukose herstellen zu wollen. Das heißt, wenn von beiden Zuckern gleich viel vorhanden ist, wandelt es keine Fruktose mehr um. Da aber Glukose sehr schnell resorbiert wird, kommt es im Darm zu keinem Gleichgewicht und so kann fast die gesamte Fruktose umgewandelt werden. Dies heißt theoretisch aber auch, dass eine zusätzliche Einnahme von Traubenzucker die Wirkung unterdrücken würde. Doch der Traubenzucker wird so rasch aufgenommen, dass auch dann ein Ungleichgewicht herrscht. Das heißt: Nimmt man dieses Enzym ein, benötigt man keine weitere Glukose.
Einnahmeempfehlung und Produkte
Wichtig: Das Enzym wird ab ca. 60°C deaktiviert, das heißt, man sollte die Kapseln nicht öffnen und in heiße Speisen einrühren oder im Urlaub im heißen Auto zurücklassen. Am besten nimmt man die Kapseln direkt vor einer fruktosereichen Mahlzeit unzerkaut mit reichlich Wasser ein. Bitte beachte immer die Packungsbeilage des jeweiligen Produktes.
Warum ein Enzym zur Therapie einnehmen bei einem Transportprotein-Problem?
Der Fruchtzucker wird u.a. von den Transportproteinen GLUT-5 durch die Dünndarmschleimhaut transportiert. Fehlen diese Transporter oder funktionieren sie nicht richtig, so gelangt die Fruktose in weitere Darmabschnitte, wird von den dort ansässigen Bakterien verdaut und es kommt zu den typischen Symptomen. Die oral eingenommene Xylose-Isomerase greift vorher ein und wandelt im Dünndarm die Fruktose in Traubenzucker um, der dann erstens auch über andere Transportmechanismen (GLUT-2, SGLT-1) aufgenommen werden kann und zweitens den „Traubenzuckertrick“ in Gang bringt.
Helfen diese Mittel auch bei Sorbitintoleranz?
Nein, wie oben beschrieben wird Fruktose in Glukose umgewandelt und umgekehrt. Sorbit wird aber nicht umgewandelt. Daher helfen diese Mittel nicht, wenn man eine Sorbitintoleranz hat. Bei reiner Fruktoseintoleranz kann auch Sorbit zu Problemen führen, denn es beeinträchtigt die Fruktoseaufnahme. Das heißt, das bisschen Fruktose, das jemand mit Fruktoseintoleranz aufnehmen könnte, wird nicht aufgenommen. Wenn aber keine Fruktose vorhanden ist, weil sie eben von der Xylose-Isomerase umgewandelt wurde, so macht das Sorbit – in geringen Mengen – keine Probleme, selbst wenn man eine Fruktoseintoleranz hat. Denn es ist ja gar keine Fruktose mehr im Spiel und geringe Mengen Sorbit, ohne gleichzeitig Fruktose im Darm zu haben, sind bei Fruktoseintoleranz unproblematisch.
Quellen:
1) Rainer Klinke, Hans-Christian Pape, Stefan Silbernagl (Hrsg.): Lehrbuch der Physiologie, 5. Auflage. Thieme, Stuttgart 2005
2) Zechmann-Khreis, M., Nahrungsmittel-Intoleranzen: Karenzphase, gesunde Ernährung & Wohlbefinden: Laktose, Fruktose, Histamin verstehen und damit leben. Ernährungsratgeber mit über 100 Rezepten und Ernährungsplan, MZK verlag, 2020
3) Denisova, V., & Rubin, D. (2022). Laktose- und Fruktoseintoleranz. Tagliche Praxis, 65(4), 581-595.
4) Benardout, M., Le Gresley, A., ElShaer, A. & Wren, S. P. Fructose malabsorption: causes, diagnosis and treatment. Br. J. Nutr. 127, 481–489 (2022).
5) Tuck, C. J., Ross, L. A., Gibson, P. R., Barrett, J. S. & Muir, J. G. Adding glucose to food and solutions to enhance fructose absorption is not effective in preventing fructose-induced functional gastrointestinal symptoms: randomised controlled trials in patients with fructose malabsorption. J. Hum. Nutr. Diet. 30, 73–82 (2017).