Milch von Kühen mit Hörnern sei weniger allergen und besser bei Laktoseintoleranz verträglich. So die Info, die man immer wieder im Netz liest. Einige Verarbeiter haben sich mittlerweile auf Produkte von Hornkühen spezialisiert, eben weil das gesünder sei. Aber ist das so?
Das Horn der Kuh
Kühe haben Hörner. Beziehungsweise hatten. Denn fast alle Kühe denen man heute begegnet, sogar auf Bioweiden, haben keine Hörner mehr. Die Hörner wurden aber nicht weggezüchtet, sondern sie werden den Jungtieren mit Brenneisen ausgebrannt. Meistens ohne Betäubung. Wer das einmal gesehen hat, vor allem das Schreien der Kälber gehört und gesehen hat und miterlebt hat, wie diese armen Kreaturen sich vor Schmerzen übergeben müssen, der wird dieses Bild nie mehr los.
Dabei wissen wir heute aus der Verhaltensbiologie, dass Hörner sehr wichtig sind für Kühe. Sie dienen als eine Art „Hände“. Mit ihnen wird sich gekratzt, das Erdreich umgegraben und teilweise sogar Verschlussmechanismen von Zäunen manipuliert. Kühe sind sehr geschickt mit ihren Hörnern. Ihnen diese Hörner zu nehmen ist grausam. Aber warum macht man das?
Warum muss das Horn weg?
Das ist eigentlich recht einfach: Früher hatte ein Milchbauer 10 -30 Kühe. Heute hat er entweder keine mehr, weil es sich nicht rechnet, oder er muss auf 50 bis 100 Tiere kommen. Der Stall bleibt dabei der gleiche. Das heißt: Pro Kuh weniger Platz. Durch diese Enge kommt es zu Stress und Aggression, die Kühe verletzen sich gegenseitig mit Tritten und Hörnern. Letztere kann man ihnen wegnehmen. Ihr könnt euch ja selbst überlegen, wie sinnvoll das ist. Fakt ist: Kühe mit Hörnern sind glücklicher als hornamputierte Kühe.
Doch was hat das mit Milch zu tun?
Die Demeter-Gesellschaft brachte mal ins Rennen, dass Milch von Kühen mit Hörner weniger allergen ist und besser bei Laktoseintoleranz vertragen würde. Diese Aussagen stürzen sich auf eine Doktorarbeit, die einer wissenschaftlichen Diskussion nicht standhalten würde, wie medizintransparent ausführlich darstellen konnte.
Das Eiweiß Beta-Lactoglobulin käme laut dieser Arbeit in horntragenden Kühen in geringerem Ausmaß vor. Auch wenn das Studiendesign angreifbar ist, nehmen wir an es würde stimmen und in einer zweiten Studie bestätigt. Die Milch wäre dennoch allergen, da das Eiweiß ja trotzdem vorkommt, wenn auch in geringeren Mengen. Medizintranspararent hat das gut zusammengefasst: „Ob Milch-allergische Personen tatsächlich mit weniger Beschwerden auf eine der beiden Milchsorten reagieren, hat die Verfasserin nicht untersucht. Ihre Behauptungen sind also reine Spekulation.“
Es bleibt also fest zu halten, dass es keine Anhaltspunkte gibt zu glauben, dass Milch von Hornkühen weniger allergen oder besser verträglich sei als Milch von enthornten Kühen. Der Laktosegehalt ist übrigens bei beiden Kühen exakt derselbe.
Fazit
Sollten Kühe enthornt werden? Nein! Aber aus tierethischen Aspekten, nicht aus gesundheitlichen. Wenn man die Möglichkeit hat Milchprodukte horntragender Kühe zu kaufen, z.B. den im ersten Absatz verlinkten Hornkäse, sollte man das tun? Ja! Aber auch hier nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern wieder aus ethischen.
Im Übrigen: Es gibt heute eine ganze Vielzahl an köstlichen veganen Milchalternativen, die man als laktoseintoleranter Mensch bestens einsetzen kann. Kokos, Soja oder Hafer. Die Palette ist groß, probiert es doch einfach mal aus. Die Kälber werden es euch danken.