Letzte Aktualisierung am 6. September 2024 von Dr. Michael Zechmann-Khreis
Steinzeitmenschen mit Laktoseintoleranz
Der nordeuropäische Mensch hat vor ca. 7.500 Jahren die Fähigkeit entwickelt Milch, bzw. Laktose, auch im Erwachsenenalter zu verdauen. Diese Anpassung fand etwa zeitgleich mit dem Beginn der Viehzucht und dem Ackerbau statt. Im Norden Europas hatten Menschen, die Laktose verdauen konnten, offensichtlich Überlebensvorteile. So breitete sich diese Genvariation immer mehr aus. Hieraus folgt auch, dass die Laktoseintoleranz keine Krankheit ist, sondern eigentlich eine normale Variation des Menschen, die aber in Europa immer seltener wurde. Die weltweite Verteilung der Laktoseintoleranz ist ein spannendes Thema, mit noch wenigen Daten.
Ethnische Betrachtung der primären Laktoseintoleranz
Die Produktion des Enzyms Laktase ist genetisch gesteuert. Der nordeuropäische Mensch hat im Laufe seiner Evolution die Fähigkeit erlangt das Enzym Lactase auch im Erwachsenenalter weiter zu produzieren. Diese Entwicklung ging mit der Domestikation des Rindes einher und betrifft nur 1/4 (andere Quellen 1/3) der Weltbevölkerung.
Es wird in Bezug auf die Laktoseintoleranz oft von einem Nord-Süd-Gefälle gesprochen. In nordischen Ländern können fast 90% der Bevölkerung Laktose verdauen, während in südlichen Regionen Europas nur ca. 10-30% und in Äquator-Nähe und in Asien nur etwa 0-2% Laktose verdauen können. Die Zahlen hierzu sind sehr unterschiedlich und teilweise sehr ungenau.
Laktoseintoleranz bei Mann und Frau
In einigen Studien wurde ein Unterschied zwischen den Geschlechtern gesucht. Es konnte jedoch nie ein eindeutiger Beweis gefunden werden, d.h. Laktoseintoleranz tritt bei Männer und Frauen gleich häufig auf.
Knappe Datenlage
Viele Menschen die aus eigentlich laktoseintoleranten Völkern stammen, jedoch in milchtrinkenden Kulturen aufwachsen, zeigen keine Lakoseintoleranzsymptome mehr, bzw. geben an keine Symptome zu haben. Ein Hinweis, das die Laktoseintoleranz auch oft kulturell bedingt ist. Vermutlich ist die Vermischung von primärer und sekundärer Form (Verlust der Lactaseproduktion durch laktosefreie Ernährung) hier oft zu finden. Die afrikanischen Stämme Tuareg und Massai, sowie ein Stamm im Süden des Sudan, tanzen laut einigen Autoren auch aus der Reihe, da sie eigentlich in südlichen Regionen leben, aber doch Milch verzehren. Sie sind nur zu etwa 20-40% laktoseintolerant. Das hängt damit zusammen, dass sie intensive Viehzucht betreiben und daher relativ häufig frische und fermentierte Milchprodukte verzehren. Andere Studien sagen wiederum etwas anderes. Die Masai wären zum Beispiel bereits im Kindesalter zu etwa 60% laktoseintolerant.
In Südamerika haben 50% der Bevölkerung eine Laktoseintoleranz, in Nordamerika (USA) wurde in einer Studie nachgewiesen, dass 15% der weißen Amerikaner, 53% der Mexikanischen-Amerikaner und 80% der Afro-Amerikaner eine Laktoseintoleranz haben. Andere Studien sagen, die Mexikaner wären zu etwa 80% laktoseintolerant.
In Thailand reichen die Werte der angeblich Laktoseintoleranten in unterschiedlichen Studien von 50% bis 100%, Tendenz zu 80%.
Die Datenlage zur weltweiten Verteilung der Laktoseintoleranz ist also nicht eindeutig, fest steht aber, dass Asiat*innen und Afrikaner*innen – sowie die von ihnen abstammenden Kulturen – wenig Laktaseaktivität besitzen, und alle Nordeuropäer:innen – und von ihnen abstammende Kulturen – auch im Alter noch Laktase (in unterschiedlichem Ausmaß) produzieren.
Wir haben in den letzten Jahren einige Daten hierzu gesammelt und die nachfolgende Landkarte erstellt. Sie zeigt die weltweite Verteilung der Laktoseintoleranz in der rezenten – also derzeit dort lebenden – Bevölkerung. Das heißt es wird ein Durchschnitt der Gesamtbevölkerung aller Ethien dargestellt. Gut sichtbar ist dies in Südafrika. Die schwarze Bevölkerung müsste man mit etwa 90% Laktoseintoleranz angeben, die europäischen Einwanderer und einige andere Einwanderungsgruppen mit etwa 10% Laktoseintoleranz. Umgerechnet auf die rezente Gesamtbevölkerung (entsprechend der Zusammensetzung der Bevölkerung laut CIA World Factbook) ergibt das etwa 76% Laktoseintoleranz im Durchschnitt.
Die Karte stellt die Verteilung jedoch nur schematisch dar! Wie gesagt, die Datenlage ist teilweise sehr schwach und hin und wieder mussten wir Werte extrapolieren. Für Madagaskar (immerhin 22 Millionen Menschen) liegen zum Beispiel keine Daten vor. Es könnte auf Grund der stark durchmischten Bevölkerung (Araber:innen, Creol:innen, Europäer:innen, Asiat:innen, … ) auch durchaus weniger Laktoseintoleranz (60%-100%) auftreten.
Quellen
1) Densupsoontorn N, Jirapinyo P, Thamonsiri N, Chantaratin S, Wongarn R (2004): Lactose intolerance in Thai adults. J Med Assoc Thai. 2004 Dec;87(12):1501-5.
2) Scrimshaw NS, MurrayEB (1988): Prevalence of Lactose Maldigestion. Am J Clin Nutr 48 (Suppl): 1086-1098, 1988
3) Sahi T (1994): Genetics and epidemiology of adult-type hypolactasia. Scand J Gastroenterol 29 (Suppl 202): 7-20, 1994
4) Yoshida Y, Sasaki G, Goto S, Yanagiya S, Takashina K. (1975); Gastroenterol Jpn. 1975;10(1):29-34. „Studies on the etiology of milk intolerance in Japanese adults.“
5) R K Tandon, Y K Joshi, D S Singh, et.al.; Lactose intolerance in North and South Indians; The American Society for Clinical Nutrition, Inc; May 1981 vol. 34 no. 5 943-946
6) Robert D. McCracken, „Lactase Deficiency: An Example of Dietary Evolution,“ Current Anthropology 12 (Oct.-Dec. 1971, pp. 479-517)
7) Norman Kretchner, „Lactose and Lactase,“ Scientific American 277 (Oct. 1972, pp. 71-78)
8) Jackson RT, Latham MC., Lactose malabsorption among Masai children of East Africa.; Am J Clin Nutr. 1979 Apr;32(4):779-82.
9) Matthews SB, Waud JP, Roberts AG, Campbell AK., „Systemic lactose intolerance: a new perspective on an old problem“; Postgrad Med J. 2005 Mar;81(953):167-73.
10) Lomer MC, Parkes GC, Sanderson JD, „Review article: lactose intolerance in clinical practice–myths and realities“; Aliment Pharmacol Ther. 2008 Jan 15;27(2):93-103. Epub 2007 Oct 23.