Letzte Aktualisierung am 3. Oktober 2024 von Dr. Michael Zechmann-Khreis
Nach der Diagnose sind für die Therapie der Laktoseintoleranz zwei Punkte wichtig: Die Begleitung durch eine zertifizierte Ernährungsberatung und das Führen eines Ernährungs- und Symptomtagebuchs. Da die Ursache der Laktoseintoleranz auch einen Einfluß auf die Therapie hat, sollte man unbedingt die Hilfe einer Ernährungsfachkräft in Anspruch nehmen. Das wird meistens auch von den kassen bezahlt oder lässt sich im Rahmen einer betrieblichen Gesundheitsförderung regeln. Sprich jedenfalls mit deinem Arbeitgeber, ob es hier Möglichkeiten gibt.
Auf Laktose verzichten, aber nicht immer
Früher sagte man, man solle strikt auf Laktose verzichten. Heute sieht man diese Dinge bei der Therapie der Laktoseintoleranz etwas anders, da man verstanden hat, dass Laktoseintolerante immer noch Laktase produzieren, aber eben weniger. Das heißt: trinke ich etwas Milch auf nüchternen Magen, bekomme ich Symptome. Verzehre ich die gleiche Menge Milch zum Mittagessen in Form eines fettigen Nudelauflaufs, vertrage ich es problemlos. Denn die Laktose, die im Dünndarm gespalten wird, verweilt dann länger dort und somit hat die Laktase mehr Zeit, um sie zu spalten.
Ziel der Ernährungstherapie bei Laktoseintoleranz ist es herauszufinden, welche Nahrungszusammensetzung die Restaktivität meiner Laktase am besten nutzt. Hier bietet sich die App „Frag Ingrid“ an, weil man hier nachschauen kann, wieviel Laktose in welcher Nahrung vorhanden ist.
Karenzphase
In den ersten 2-3 Wochen nach der Diagnose sollte so gut wie möglich auf Laktose (Milchzucker, nicht Milcheiweiß!) verzichtet werden, um dem Darm eine Regenerierungsphase zu gönnen. Diese Zeit nennt man Karenzzeit oder Karenzphase. Es sollte auch eine Überprüfung der Ernährungsgewohnheiten stattfinden, mit dem Ziel diese zu verbessern. Vor allem der Ballaststoffgehalt und Makronährstoffgehalt sollte überprüft und angepasst werden. Die mengte an Obst und Gemüse sollte optimiert werden und vor allem sollte man versuchen durch gezieltes verzehren probiotischer nahrungsmittel das Mikrobiom etwas zu verbessern bzw. zu stabilisieren. In Deutschloand wird viel H-Milch getrunken, wir wäre der Umstieg auf laktosefferie Vollmilch sowie der Verzehr von Naturjoghurt, auch von pflanzlichen Joghurts, sinnvoll. Da das recht komplex ist, wäre hier eine Begleitung mit einer Ernährungsfachkraft sehr wichtig.
Testphase
In der 6-10 Wochen dauernden Testphase versucht man die Laktosezufuhr zu erhöhen. Man testet also aus, wwelche laktosehältigen Produkte man in welchen mengen und Nahrungszusammensetzungen verträgt. Denn das Ziel ist künftig individuell unterschiedliche Mengen an Laktose zu vertragen. Man kann hier die Lebensmittelauswahl erweitern und sich auch mal was trauen. Wichtig ist, jedem testversuch imemr ein bisschen zeit zu gönnen. Also nicht morgtens und abends testen, sondern alle 2-3 Tage etwas neues ausprobieren. gerade in dieser Phase ist ein Ernährungs- und Symptomtagebuch sehr wichtig und kann viele Erkenntnisse bringen.
Danach kann langsam mit der Einnahme von kleinen Mengen begonnen werden. In dieser Zeit sollte man generell Magen schonend essen, das heißt Essen nicht braten, sondern dünsten. Leicht verdauliches Essen ist schwer verdaulichem Essen vorzuziehen. Im Prinzip eine Art Schonkost ähnlich wie nach einer Magen-Darm-Grippe. Nach dieser Zeit kann man wieder mit „normaler“ – aber laktosefreier – Ernährung beginnen. Einige Betroffene vertragen kleine Mengen (ca. 1g) an Laktose noch gut, während andere fast keine Laktose vertragen. Das muss jeder für sich selbst austesten, wobei zu sagen ist, dass die meisten Betroffenen durchaus wieder größere Mengen Laktose vertragen, wenn Sie sich an Ihre Diät halten.
Dauerernährung
Hier sollte man im Rahmen der Therapie der Laktoseintoleranz dann in eine bedarfsgerechte Ernährung kommen, d.h. alle wichtigen Nährstoffe, Vitamine und Co durch die Nahrung zuführen. Man sollte individuelle Mengen an Laktose vertragen und intuitiv wissen, welche Produkte man wann verträgt und welche nicht. Grundsätzlich wissen wir heute, dass Menschen mit Laktoseintoleranz 10 Gramm Laktose pro Tag gut vertragen können. Das sind etwa 200 ml Milch (auf den Tag verteilt und als Zutat von zubereiteten Speisen).
Ernährung mit Laktoseintoleranz
Eine normale Diät beinhaltet ca. 30g Laktose pro Tag. Eine laktosearme Ernährung besteht, wie oben beschrieben, aus ca. 10g und eine laktosefreie aus weniger als 0,1g Laktose pro Tag. Viele Patient*innen haben Angst, nur noch vollkommen laktosefrei essen zu müssen bzw. können. Das ist aber falsch. In den meisten Fällen ist eine laktosearme Ernährung als Behandlung der Laktoseintoleranz ausreichend. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen, dass eine Diätverfehlung, ein „Ausrutscher“, kein Gesundheitsrisiko darstellt. Daher schadet es nicht, sich und seinen Darm immer wieder zu fordern und im Selbsttest ein bisschen mehr Laktose zu testen. Ein strikter Verzicht, also eine peinlich genaue Einhaltung einer strikt laktosefreien Diät kann die Situation verschlechtern, vor allem, weil man die Darmbakterien damit negativ beeinflusst. Bei Personen mit Laktoseintoleranz kann eine regelmäßige Laktosezufuhr die Anpassung des Mikrobioms des Dickdarms fördern, indem sie das Wachstum von laktoseverdauenden Bakterien unterstützt und so möglicherweise die Intoleranzsymptome verringert1.
Laktase-Tabletten: Das fehlende Enzym zur Behandlung einnehmen
Das milchzuckerspaltende Enzym Laktase kann in Tabletten-, Lösungs- oder Pulverform gekauft und zum Essen eingenommen werden. Die Präparate ermöglichen einen unbeschwerten Besuch im Restaurant oder die Annahme einer Einladung zum Essen. Als Therapie der Laktoseintoleranz sollte man diese Tabletten nicht sehen, sondern als Helfer im Alltag. Ob diese Tabletten die Produktion der körpereigenen Laktase minimieren oder nicht, darüber gibt es keinen Konsens in der Fachwelt. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Produktion des Enzyms Laktase beim Menschen nicht durch die Aufnahme von Laktose mit der Nahrung oder durch Laktasezusätze beeinflusst wird. Die intestinale Laktaseexpression scheint konstitutiv zu sein und nimmt bei Laktosekonsum nicht zu und bei Laktoseentzug nicht ab1. Dies wiederspricht der bisherigen Annahme. Hier sind weitere Forschungen nötig, um diese Frage beantworten zu können.
So nimmt man Laktase ein
Die Stärke dieser Präparate wird in FCC angegeben. Diese Abkürzung steht für „Food Chemical Codex“. Das ist ein Maß für die Reinheit von lebensmittelchemischen Substanzen. Der FCC wurde Ende der 1950er-Jahre in den USA entwickelt und 1966 erstmals publiziert. Mittlerweile gibt es sehr viele hochdosierte Produkte (über 9.000 FCC). Da man aber nicht zu viel einnehmen kann, ist keine Gefahr einer Überdosierung gegeben. Üblicherweise nimmt man diese Produkte direkt mit der Mahlzeit ein.
1g Laktose wird unter Laborbedingungen von ca. 200 FCC Laktase abgebaut, das sind weniger als 20mg Enzym. Unser Körper ist aber kein Labor, daher stimmt diese Rechnung nicht für den täglichen Gebrauch der Präparate. Das hat unterschiedliche Gründe. Zum einen deaktiviert das saure Milieu im Magen die Laktase langsam aber sicher, zum anderen hängt die Enzymaktivität auch von Lagerung (Zeit, Temperatur …) ab. Und die Effektivität des Präparates hängt von der Zusammensetzung des Nahrungsbreis, vom Zeitpunkt der Einnahme, usw. ab. Eine genaue Angabe wieviel FCC man benötigt, kann man nicht machen.
Es wird angenommen, dass man im Vergleich zum Labor etwa die fünf bis siebenfache Menge an Laktase zuführen sollte, also etwa 1.000-1.500 FCC für 1g Milchzucker. Zu einer durchschnittlichen Mahlzeit nimmt man also etwa 6.000 – 14.000 FCC zu sich. Ein exaktes Ausrechnen von FCC-Einheiten ist aber nicht sinnvoll. Du wirst nach einiger Zeit gut abschätzen können, wieviel FCC du für bestimmte Mahlzeiten benötigst.
In einer Umfrage am nmi-Portal im September 2014 gaben von über 500 Befragten die meisten an mit 5.000-15.000 FCC pro Mahlzeit zu dosieren2. Üblicherweise nimmt man die Laktase mit den ersten Bissen zu sich. Wenn man vergessen hat Laktase zu nehmen, kann man auch noch einige Minuten nach dem Essen das Präparat einnehmen. Hier bieten sich dann Kautabletten oder Pulver an.
Welche Laktase Präparate wirken?
Hier gilt fest zu halten, dass alle Laktasepräparate gut funktionieren. Unterschiede zeigen sich nur in der Darreichungsform, der Dosierung, dem Preis und den Zusatzstoffen. Günstigere Präparate haben oft eine schlechtere Laktasequalität, dadurch müssen sie höher dosiert werden und verlieren so den Preisvorteil. Laktasepräparate halten ca. 2 Jahre, d.h. alte Packungen sollte man entsorgen, da die Enzymaktivität nicht mehr gegeben ist. Wenn das Präparat über 60°C erhitzt wurde, ist die Enzymaktivität ebenfalls nicht mehr gegeben und das Präparat wirkt nicht mehr. Das ist vor allem zu beachten, wenn man die Laktase im Auto zurück lässt und die Sonne den Innenraum aufheizt.
Achtung: Eisenpräparate sollten mindestens drei Stunden zeitversetzt zur Einnahme von Laktase erfolgen. Andere Wechselwirkungen sind bisher nicht bekannt.
Laktosefreie Milchprodukte
Heutzutage findet man in fast allen Supermärkten laktosefreie Milchprodukte. Das ist für Betroffene natürlich ein Segen, ist aber auch mit Vortsicht zu sehen. Denn der vollständige Verzicht auf Laktose ist ja nicht sinnvoll. Daher sollte man diese Produkte mit etwas Hausverstand einsetzen und dennoch in der Dauerernährung auf laktosehältige Milchproduklte zurückgreifen. Vor allem Joghurt biete tsich hier an.
Vegane Milchprodukte
Mittlerweile ist das Angebot an pflanzlichen ilchersatzprodukten fast größer, als das Angebot laktosefreier Milchprodukte. All diese Produkte sind laktosefrei, da vegan. Sie eignen sich hervorragend als Ersatz, jedoch muss man beim Kochen und der Verwendung ein bisschen austesten, mit welchem Produkt was funktioniert. So lässt sich pflanzliche Sahne zum Beispiel erst ab einem Fettgehalt von 31% aufschlagen.
Folgeerkrankungen
Die Laktoseintoleranz selbst stellt keine direkte Gefahr für die Gesundheit dar. Wenn sie erkannt wird und man sich entsprechend ernährt gibt es normalerweise keine Folgeschäden. Langzeitfolgen sind nur zu erwarten, wenn eine bewusste Vermeidung von Laktose über einen langen Zeitraum erfolgt. Dann verträgt man nämlich weniger und das Mikrobiom verschlechtert sich.
Die Laktoseintoleranz ist keine Krankheit!
Auch ein Verstoß gegen die Diät ist nicht schädlich (nur unangenehm). Da Milchprodukte jedoch in unseren Breiten ein wichtiger Kalziumlieferant sind, sollte man sich von seinem Arzt/seiner Ärztin oder Diätolog*in über alternative Kalziumquellen (Brokkoli, Mineralwasser …) informieren lassen. Durch das reiche Angebot an laktosefreien Milchprodukten ist mittlerweile auch hier keine große Problematik zu sehen.
Wissenschaftliche Kontrolle dieses Artikels: Mag. Dr. Michael Zechmann-Khreis
Quellen u.a.
- R. A. Forsgård, „Lactose digestion in humans: intestinal lactase appears to be constitu tive whereas the colonic microbiome is adaptable“, Am. J. Clin. Nutr., Bd. 110, Nr. 2, S. 273–279, Aug. 2019, doi: 10.1093/ajcn/nqz104.
- Umfrage nmi-Portal, Durchschnittliche Einnahme FCC pro Mahlzeit, n=500, 2014