Die Probleme der IGg4-Tests
Ich habe auch zwei neuerliche IgG4-Tests gemacht. Wie im Blog Teil 3 erwähnt, habe ich ja vor meinem ersten IgG4-Test viel Hering gegessen. Da ich seit über 20 Jahren keine Heringe mehr gegessen habe, sollte das meinen IgG-Wert „Hering“ deutlich erhöhen, immerhin müsste er ziemlich genau bei „0“ sein. Wie mir Dr. Kofler – Allergieexperte im Allergieambulatorium Hall – erklärte, dauert dieser Anstieg aber sechs bis acht Wochen. Daher war der erste Test – so meine Vermutung – direkt nach dem Heringverzehr, negativ. Wobei fraglich war, ob mein Versuch funktionieren würde, da wir die Normbereiche der IgG-Tests nicht kennen und die Tests keine genauen Werte angeben, sondern mit 6-stufigen Skalen arbeiten, deren Datengrundlage ebenfalls nicht bekannt ist. Doch dazu gleich mehr.
IgG-Testergebnisse
Im ersten Test hatte ich 28 unverträgliche Nahrungsmittel, wobei die verschiedenen Milcharten, Käse usw. nicht zählen, da sie alle lediglich den IgG-Wert für „Kasein“ angeben. Warum der Anbieter trotzdem mehr als 10 (!) verschiedene Nahrungsmittel ausgibt, wissen wir nicht.
Nun gut, ich habe den Test nach 6 und nach 8 Wochen wiederholt. Bei zwei verschiedenen Anbietern. Einmal beim gleichen Anbieter und einmal bei einem anderen. Beim gleichen Anbieter waren es nun 31 unverträgliche Nahrungsmittel, wobei sich die unverträglichen Nahrungsmittel etwas verändert haben. Einige waren nicht mehr unverträglich, andere kamen dazu. Ein Effekt, den wir mittlerweile von vielen Bloggern, Autoren und Tests kennen. Die IgG-Werte können sogar schwanken, wenn man zeitgleich einen Test am linken Zeigefinger und einen am rechten Zeigefinger macht1 (9 gegen 38 Unverträglichkeiten!). Ja, so verlässlich sind diese Tests …
Selbst wenn man annimmt, des Spaßes halber, die IgG-Tests funktionieren so wie angepriesen, sollte einem so ein Ergebnis zu denken geben …
Meine „Darmpermeabilität“ blieb unverändert (trotz Probiotika-Einnahme, die mir ja vom Anbieter empfohlen wurde, um die Permeabilität zu verbessern). Der Hering war negativ. Das hat mich gewundert, aber noch nicht beunruhigt, weil es ja auch länger dauern kann, bis die IgG-Werte steigen.
Beim zweiten Anbieter, nach 8 Wochen getestet, habe ich „nur“ auf 10 Nahrungsmittel reagiert, wobei dieser Anbieter die einzelnen Milcharten, Käse, usw. vorbildlich unter einem Punkt „Kasein“ zusammengefasst hat. Er hat auch, im Gegensatz zum ersten Anbieter, die verschiedenen Fische und Meeresfrüchte (Kabeljau/Dorsch, Alaska-Seelachs, Lachs, Thunfisch, Shrimps) unter einem Punkt zusammengefasst. Aha… Moment! Was ist da los?
Hering wird gar nicht getestet
Das heißt, dass der erste Anbieter hier (wieder, wie schon beim Kasein) die Nahrungsmittelanzahl künstlich nach oben treibt. Man kann wohl nur ein „Fisch-Protein“ messen, nicht aber „Hering“, „Lachs“ oder „Dorsch“ einzeln.
Das heißt aber auch, dass mein Hering-Test nicht funktionieren kann. Warum? Nun, ich habe viele dieser Fische seit vielen Jahren nicht mehr gegessen. Lachs, Seelachs und vielleicht mal einen Shrimp aber eben schon. Das heißt, mein „Hering“-Wert (also eigentlich „Fisch-Wert“) war vor der Provokation gar nicht 0, er war irgendwo im „Normbereich“. Und das ist er natürlich immer noch.
Exakte Werte fehlen
Vermutlich ist mein „Fisch-IgG“ durch die Provokation gestiegen, aber noch im „Normbereich“ des Labors gelegen. Um den Fisch-IgG-Anstieg messen zu können, müsste man den exakten IgG-Wert als tatsächlichen Wert messen, nicht als einen Sammelwert von sechs Strichen auf einer unbekannten Skala. Und man müsste die Normbereiche kennen. Diese Normbereiche müssten natürlich für jedes Nahrungsmittel und jeden Kulturkreis eigens ermittelt werden, da ja der Normbereich eines kulturell oft verzehrten Lebensmittels höher ist, als der von selten verzehrten Nahrungsmitteln. In Mitteleuropa müsste der Fisch-IgG-Wert niedriger sein als der Gluten- oder Kasein-Wert. In Asien wäre es vermutlich umgekehrt.
Also frage ich bei den zwei Anbietern von IgG-Tests nach, ob es denn solche Normbereiche und eine dazugehörige wissenschaftliche Literatur gäbe. Immerhin will ich meine Ergebnisse interpretieren können. Antwort bekomme ich nur von einem Anbieter.
Die Antwort des Anbieters
Die Antwort ist aber sehr enttäuschend. Ich erfahre nur, dass die 6-stufige Skala vom Partnerlabor übernommen wird. Man sagt mir, dass „die zur Testung eingesetzten Allergen-Mengen dahingehend optimiert sind, dass die 6-Klassen Einteilung für alle getesteten Allergene gilt“. Das heißt also, dass die Normbereiche nicht nahrungsmittelspezifisch sind. Nehmen wir also wieder an, dass IgG4-Tests tatsächlich so wie gewünscht funktionieren, so würde dieser Umstand bedeuten, dass die Tests nicht spezifisch genug sind und daher keine klinisch relevanten Daten liefern könnten.
Weil das ein wichtiger Punkt ist, nochmal zur Klarstellung: Selbst wenn wir davon ausgehen, dass man mit IgG4-Mengen auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten tatsächlich Nahrungsmittelunverträglichkeiten finden könnte, würden die Selbsttests in ihrer derzeitigen Form keine Ergebnisse liefern können, die zur Diagnose taugen. Man bräuchte dafür nahrungsmittelspezifische und kulturspezifische Normbereiche sowie exakte IgG4-Mengen-Messungen.
Bezüglich meiner Frage zur Literatur, die die 6-stufige Skala beweisen würde, bekomme ich eine Liste mit ca. 30 Artikeln! Ich mache mir die Mühe und schaue mir alle Publikationen durch. Keine (!) der Publikationen beantwortet meine Frage.
Entsprechend der journalistischen Sorgfaltspflicht fasse ich meine Erkenntnis zusammen und frage nochmal beim Hersteller nach. Diesmal bekomme ich keine Antwort mehr. Keine Antwort, ist in dem Fall auch eine Antwort.
IgG-Testung: Was bleibt übrig?
IgG4-Tests sind bei Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten keine sinnvolle Testvariante. Das Ergebnis ist schlichtweg nicht aussagekräftig. Egal wie man es dreht und wendet, egal wie viele Augen man zudrückt, sogar wenn man den Tests Vorschußlorbeeren gibt, das Ergebnis kann keine Diagnose liefern. Ich habe wirklich versucht mich offen und ohne Vorurteile dem Thema zu widmen, ich habe den Tests in Gedankenexperimenten Zugeständnisse gemacht und selbst dann, wären keine klinisch relevanten Diagnosen möglich.
Was bleibt, bei allen Heimtests, von Stuhl- bis Bluttest für zu Hause, ist der fahle Geschmack der Geschäftspraktiken mancher Hersteller, der Wunsch der Betroffenen nach einem einfachen Wunder-Test der das eigene Leben verbessert und vor allem das Geschäft mit der Gesundheit verzweifelter Menschen die vielleicht schlechte Erfahrungen mit Schulmedizinern oder unserem Gesundheitssystem gemacht haben.
Quelle
1) http://futurezone.at/digital-life/kiweno-im-test-bestaetigung-skepsis-und-ein-einzelfall/195.989.628