Letzte Aktualisierung am 8. Dezember 2023 von Dr. Michael Zechmann-Khreis
Richtige Diagnose der Histaminintoleranz
Gibt es einen „Histamin Intoleranz Test“? Wie eine Histaminintoleranz (HIT) diagnostiziert wird, hat sich in den letzten Jahren laufend geändert. Da die Histaminintoleranz eine relativ neue Diagnose ist, musste man erst Studien machen und Erfahrungen sammeln. Aktuell gibt es eine Leitlinie, die den Gold-Standard in der Diagnostik vorgibt. Im folgenden Beitrag zeigen wir euch auch verschiedene historische Diagnosewege und deren Probleme.
Doch zuvor müssen wir ein paar Begriffe klären:
Einige Begriffe und Erklärungen
Diaminoxidase (DAO) ist ein Enzym, welches unter anderem im Dünndarm produziert wird und über die Nahrung aufgenommenes Histamin abbaut. Für diesen Vorgang benötigt die DAO unter anderem Vitamin B6 und Kupfer. DAO wird von gewissen Substanzen wie Alkohol oder anderen biogenen Aminen gehemmt. Histamin bildet sich ganz natürlich durch Bakterien, d.h. Nahrung die lange gelagert wird enthält mehr Histamin, als frische Nahrung. Auch die Darmbakterien produzieren Histamin und andere biogene Amine. Daher benötigt unser Körper dieses Enzym im Darm, um das aufgenommene und im Darm produzierte Histamin abzubauen.
Histamin-N-Methyl-Transferase (HNMT) ist ein Enzym, das in den Zellen vorkommt, vor allem in Leberzellen, aber auch im Darm. Auch HNMT baut Histamin ab.
Wie diagnostiziert man eine Histaminintoleranz?
Es gibt mittlerweile eine Leitlinie die von führenden Fachorganisationen empfohlen wird. Wichtig ist, keine Selbstdiagnosen zu machen, sondern immer im Dialog mit dem Arzt zu einer Diagnose zu kommen. Folgender Diagnoseweg gilt aktuell als Gold-Standard:
Erster Schritt: Symptomtagebuch und Differenzialdiagnose
Bevor man zum Arzt geht sollte man auf jeden Fall ein Symptomtagebuch führen. Dadurch tut sich der behandelnde Arzt deutlich leichter mit einer Eingrenzung der Symptome.
Während du ein Symptomtagebuch führst, solltest du dich normal ernähren und keine Diät halten oder plötzlich auf bestimmte Produkte verzichten. Dein Arzt muss sich Zeit für dich nehmen und ein sehr intensives Gespräch mit dir führen. Am besten ist es, wenn du dein Ernährungs- / Symptomtagebuch mitbringst. Vermerke im Tagebuch auch den Menstruationszyklus, sowie jede Einnahme von Medikamenten! Vermerke auch die Symptome die du hast. Es gibt hier sehr gute Vordrucke in Buchform.
Dein Arzt wird versuchen mittels Differenzialdiagnose andere Erkrankungen auszuschließen. Hierzu gehören zum Beispiel Allergien, Mastozytose, chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder andere Unverträglichkeiten. Differnzialdiagnose heißt, dass man zuerst andere Erkrankungen mit sehr ähnlichen Symptomen, ausschließt. Allergien z.Bsp. über Prick- und RAST-Test, intestinale Fruktoseintoleranz oder Laktoseintoleranz über H2-Atemtest. Es gibt noch einige andere Erkrankungen, zum Beispiel die sehr seltene Mastozytose, die man zuerst ausschließen sollte.
Zweiter Schritt: Eliminationsdiät mit oder ohne Provokationstest
Da man für diesen Diagnoseweg eine genaue Kenntnis über den Histamingehalt und die Histaminkarenz benötigt, ist dieser Diagnoseweg sehr schwierig und muss ernährungstherapeutisch begleitet werden!
Zuerst macht man eine gut geplante und im Idealfall diätologisch begleitete Karenzphase inklusive eines sehr genauen Ernährungs- bzw. Symptomtagebuchs. Diese Phase dauert 2-4 Wochen. In der Karenz werden alle Lebensmittel mit biogenen Aminen vermieden, kein Alkohol getrunken, keine DAO-blockierenden Medikamente genommen (mit Arzt besprechen!) und keine Antihistaminika genommen.
Kommt es zu einer Besserung der Symptome, ist eine HIT, nach Ausschluss anderer möglicher Erkrankungen per Differentialdiagnose, sehr wahrscheinlich.
Bei positivem Befund sollte dein Arzt Kupfer und Vitamin B6 durch eine Blutuntersuchung testen lassen, da die DAO diese Stoffe benötigt, um richtig zu funktionieren. Sind zu wenig davon da, kann die DAO nicht gebildet werden bzw. nicht richtig funktionieren. Eine Substitutuion kann dann die HIT deutlich verbessern.
Dritter Schritt: Provokationstest
Nun, nach dieser Karenz, kann man einen Provokationstest machen, welcher allerdings im Idealfall placebokontrolliert und doppelt verblindet durchgeführt werden sollte. Hierbei bekommt man verschiedene Flüssigkeiten zu trinken und die Reaktionen werden protokolliert. Dies ist aber wohl nur in Spezialkliniken möglich und wird von einigen Leitlinien nicht empfohlen, bzw. explizit davon abgeraten. Alternativ kann man (in Absprache mit dem Arzt!) histaminhaltige Nahrungsmittel essen und seine Reaktionen darauf im Tagebuch festhalten. Wichtig ist jeden Tag nur 1 Lebensmittel zu testen! Beispielsweise Bergkäse, Rotwein oder Sauerkraut. Die Reaktionen sollten dann innerhalb von 4 Stunden auftreten. Bei einer schweren Form der Histaminintoleranz (was sehr selten ist!) könnte es beim Provokationstest zu einem anaphylaktischen Schock kommen, weshalb man dies besser nicht ohne ärztliche Begleitung machen sollte.
Dieser Schritt ist für die Diagnose der Histaminintoleranz meist nicht mehr notwendig, da meistens schon nach Schritt zwei die Diagnose klar ist.
Nicht mehr empfohlene Methoden
Achtung: Es gibt am Markt noch Blutheimtests oder andere Tests für zu Hause zur Histaminintoleranz-Diagnostik. Auch einige Ärzte machen noch Bluttests zur Bestimmung der DAO. Diese Tests werden aber von den Fachoprganisationen und aus den dargelegten Gründen als nicht geeignet eingestuft und können Fehldiagnosen liefern. Einen Histamin Test der durch Blutabnahme eine Diagnose liefert gibt es also leider nicht.
Diagnoseweg: Histamin Test für Blut
Da wir ja die Enzyme DAO und HNMT zum Abbau haben, könnte man vermuten, dass die Menge der Enzyme im Blut als Diagnoseverfahren herangezogen werden könnte. Das funktioniert aber leider nicht. Man hat auch versucht die Aktivität der DAO, also nicht die Menge, als Diagnose-Faktor zu etablieren. Ebenfalls mit mäßigem Erfolg. Man hat nämlich festgestellt, dass die Aktivität der Enzyme in der Dünndarmschleimhaut nicht mit der Menge oder Aktivität im Blut zusammenhängt. Einen Histamin Test dieser Art gibt es zwar zu kaufen, er liefert aber keine validen Ergebnisse.
Diagnoseweg: Dünndarmbiopsie DAO-Aktivität
Alternativ kann über eine Dünndarmbiopsie mittels eines ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay) die Aktivität bestimmt werden. Letzteres bietet sich an, wenn sowieso schon eine Dünndarmbiopsie durchgeführt wird. Daher ist diese Methode keine übliche Diagnosemethode. Dieser Histamin Test funktioniert zwar, wird aber selten angewendet, denn die Interpretation der DAO-Aktivität muss auch hier im Kontext mit der Klinik und der Anamnese durchgeführt werden. Das heißt der oben beschriebene Gold-Standard muss sowieso beschritten werden.
Diagnoseweg: Laborparameter „Urin“ und „Stuhl“
Histamin Test mit Urin
Man kann auch die Histamin und Methylhistamin Konzentration im Harn bestimmen. Mehylhistamin ist das Abbauprodukt der HNMT. Liegt ein DAO-Mangel vor, wird das Histamin vermehrt in den Zellen über die HNMT abgebaut. Entsprechend erhöht sich das Abbauprodukt Methylhistamin, welches über den Harn ausgeschieden wird und damit über einen 12-Stunden-Sammelurintest von einem Labor bestimmt werden kann. Dann wird einige Tage lang eine strikte Kartoffel-Reis-Diät gehalten und der Urintest wiederholt. Aus der Änderung der Ergebnisse dachte man, könnte man auf eine Histamin-Intoleranz schließen. Das hat sich als nicht richtig herausgestellt. Auch bei diesem Histamin Test ist nämlich eine Differentialdiagnose wichtig, da dieser Test alleine nicht aussagekräftig genug ist, um eine Histaminintoleranz zu diagnostizieren. 5)
Histamin Test durch Stuhlprobe
Auch im Stuhl kann die Histaminmenge bestimmt werden. Diese Menge zeigt jedoch nur an, wieviel Histamin nicht im Darm abgebaut wurde. Diese Menge variiert je nach dem, was man zuvor gegessen hat, also je nachdem wie hoch die zugeführte Histaminmenge war, und je nachdem wie die Bakterienzusammensetzung im Darm ist. Das vom Körper selbst produzierte Histamin kann dieser Test nicht berücksichtigen. Dieser Test galt schon länger als unsicher und zählt daher zu den veralteten und nicht validen Diagnosewegen. 5)
Das heißt Messungen der DAO oder des Histamins über den Urin oder den Stuhl haben sich als nicht aussagekräftig erwiesen. Damit bleibt, nach aktuellem Stand, nur eine rein klinische Diagnose (siehe oben) für die Histaminintoleranz übrig, da es (noch) keine verlässlichen Laborparameter gibt.
Andere Histamin Tests
Der IgG Test mißt die Immunreaktion des körpereigenen Immunglobulin G. Diese Tests sind definitiv nicht geeignet, Laktoseintoleranz, Fructosemalabsorption oder Histaminintoleranz nachzuweisen! Auch andere am Markt angebotene Tests sind als unseriös einzustufen. Es gibt für die meisten dieser Tests, auch wenn sie sehr wissenschaftlich klingen und die Hersteller mit Positiv-Beispielen werben, keine Studien oder Evaluationen.
Uns von Betroffenen gemeldete, aber nicht für die Diagnose einer Histaminintoleranz geeignete Tests:
Stand April 2019
- Haaranalyse
- Speicheltest
- TCM-Test / kinesiologische Verfahren
- IgG4-Tests (meistens mit Blutabgabe zu Hause; diese Tests werden sehr stark beworben)
- Bioresonanz
- Kinesiologie
- Gesichtsdiagnose
- Zungendiagnose
- Handauflegen
- Blutheimtest
Quellen:
1) Buchart, K. „Gut leben mit Nahrungsmittelallergien“, Löwenzahn Verlag, 2008, nach persönl.Mitteilung Jarisch, 2002
2) Jarisch, R. „Nahrungsmittel-Intoleranz“, medmix 4/2008, pp 49-52
3) Vogelreuter, A. „Nahrungsmittelunverträglichkeiten“, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2012
4) Masterman, G. „What HIT me? Living with Histamine Intolerance„, 2nd edition, 2013
5) Jarisch, R. „Histaminintoleranz – Histamin und Seekrankheit„, Thieme, 3. Auflage 2013
6) Mayer I, Missbichler A, Wantke, et.al. „Optimierter Radioextraktionsessay zur quantitativen Bestimmung der Aktivität von Diaminoxidase (DAO) in humanem Serum und Plasma“, Allergologie, Jahrgang 28, 1/2005, 1-8
7) Reese et al: Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) und des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (ÄDA), 2012