Vor einigen Tagen schickte mir ein nmi-Portal User den Link zu Fructaid. Ein neues Produkt bei Fruktoseintoleranz, hergestellt von „Pro Natura Gesellschaft für gesunde Ernährung mbH“ in Deutschland. Coole Sache, vor allem, weil „Fructosin“ (so hieß Xylosolv das damals) ja in Deutschland wegen Patentstreitigkeiten vom Markt genommen werden musste. „Xylosolv“ wurde dann als Medizinprodukt gegen erhöhte Triglyceridwerte eingeführt, um dem Patentstreit auszuhebeln. Die Inhaltsstoffe waren praktisch ident mit Fructosin. Doch dieser Trick funktionierte nicht lange und so war auch Xylosolv ab Juli 2013 in Deutschland nicht mehr erhältlich, im Rest der EU schon.
Ich las mir die Seite fructaid.de durch und war erstaunt, als da stand: „Weltweit einziges Produkt zur Verhütung bzw. Linderung von Verdauungsbeschwerden, die durch Fructose-Malabsorption ausgelöst werden.“ Aha, interessant. Welches Mittel nehme ich denn dann seit Jahren zu mir?
Ich lese also weiter. Glucose-Isomerase würde Fruktose in Glukose umwandeln, steht da bei der Beschreibung. Ok, das ist prinzipiell nichts Neues.
Was ist Glucose-Isomerase
Glucose-Isomerase ist das gleiche Enzym, das auch in Xylosolv (und anderen Produkten wie z.B. „FructoZym“, nicht dass wir hier immer nur den Marktführer nennen) enthalten ist, nämlich Xylose-Isomerase. Die Bezeichnung Glucose-Isomerase ist bei uns der eher ungebräuchliche Name. In den USA verwendet man gerne diesen Begriff, weil das Enzym dort in der Lebensmittelindustrie verwendet wird, um aus Glukose den High-Fructose-Corn-Syrup (HFCS) herzustellen. Aber keine Angst, auch wenn HFCS ungesund ist, das hat nichts mit dem Enzym bzw. der Enzym-Famile der Isomerasen zu tun. Ein Enzym ist einfach ein komplexes Molekül das bestimmte biochemische Abläufe katalysiert. Hä? Ok, also es ist einfach ein Werkzeug, das dabei hilft einen Stoff in einen anderen Stoff umzuwandeln. In diesem Fall Glukose in Fruktose, aber auch Fruktose in Glukose. Das Enzym will einfach ein Gleichgewicht zwischen beiden Stoffen herstellen. Das macht man sich für die Fruktoseintoleranz zu Nutze, weil Glukose sehr schnell über den Darm aufgenommen wird, Fruktose nicht. Dadurch kommt es im Speisebrei nie zu einem Gleichgewicht, weil immer mehr Fruktose als Glukose vorhanden ist. Und sollte mal keine Glukose aufgenommen werden können, dann stellt sich eben ein Gleichgewicht ein, bis die Glukose wieder aufgenommen wird. Sobald die Fruktose aufgebraucht ist, löst sich das Enzym nicht auf, wird auch nicht absorbiert und es verliert auch keine Aktivität. Es wird einfach mit dem Stuhl ausgeschieden. Somit sind fruktosehaltige Speisen für fruktoseintolerante Menschen verträglich. Super Sache. Aber eben nicht neu.
„Neu & patentiert“
Soweit, so gut. „Neu & patentiert“ prangt da auf der Fructaid Webseite (siehe Bild). Das mit dem „neu“ haben wir geklärt, das „patentiert“ aber hat mich auf eine Fährte gebracht… Da Xylosolv ja in Deutschland im Juli 2013 wegen Patentstreitigkeiten vom Markt genommen werden musste , während es im Rest der EU weiterhin verkauft werden durfte, und nun eine deutsche Firma den Wirkstoff auf den Markt bringt, liegt wohl Nahe – so meine Vermutung – dass die Patentstreitigkeiten zwischen diesen beiden Firmen stattfanden bzw. stattfinden. Nun scheint Pro Natura gewonnen zu haben und darf nun Fructaid vertreiben.
Als Betroffener und Patientenvertreter wäre mir allerdings lieber, man würde nicht schreiben „weltweit einziges Produkt“, sondern z.B. „einziges in Deutschland zugelassenes Produkt“. Aber das wäre natürlich weniger werbewirksam.
Das alles kann uns als Betroffenen aber egal sein, solange es ein Produkt am Markt gibt. Daher wollen wir uns mal anschauen, was Fructaid so kann und worin die Unterschiede zu Xylosolv/Fructosin (vgl. Updates unten) liegen.
Unterschied Fructaid & Fructosin
Ich frage bei beiden Herstellern nach, wieviel Fructose eine Kapsel verdauen kann, was die Produkte kosten und wo sie erhältlich sind. Ich frage bei Fructaid auch nach, was der Unterschied zu den anderen Produkten sei und warum es „weltweit einzigartig“ sei.
Pro Natura (Fructaid) antwortet nur kurz und schreibt, man würde sich melden. Leider habe ich bisher keine weitere Antwort bekommen, sollte diese aber eintrudeln, werde ich die Angaben hier ergänzen. Der Fructosin-Hersteller STADA antwortet ebenfalls und beantwortet mir brav meine Fragen.
Wieviel Fructose wird umgesetzt?
Der Beipackzettel von Fructaid lässt nicht erahnen, wieviel Fruktose umgesetzt werden kann. Auch die Webseite sagt nichts dazu. Auf die Antwort vom Hersteller warten wir diesbezüglich noch. Sollten wir keine Antwort bekommen, werden wir natürlich ein unabhängiges Labor beauftragen, die beiden Produkte zu messen. Man soll laut Hersteller 1-4 Kapseln vor dem Essen einnehmen.
Fructosin kann laut Hersteller 6,2g Fruktose umwandeln . Man soll laut Hersteller 1-2 Kapseln vor dem Essen einnehmen.
Achtung: Sorbithaltige Speisen bleiben auch mit Xylose-Isomerase ein Problem! Die auf der Fructaidverpackung abgedruckten oder von STADA in ihrer Wrerbung verwendeten Weintrauben, Äpfel und Kirschen sollte man also besser trotzdem bleiben lassen!
Inhaltsstoffe
Fructaid ist vegan, was ich persönlich sehr gut finde. Fructosin nicht. Die restlichen Inhaltsstoffe – bis auf das Enzym unterscheiden sich nur geringfügig.
Fructaid: Cellulose, Hypromellose,
Glucose-Isomerase,
Methacrylsäure-Ethylacrylat-Copolymer-(1:1)-Dispersion 30 %, Talkum,
Hydroxypropylmethylcellulose, Trehalose*, Triethylcitrat, Titandioxid (E
171)
Fructosin: Xylose Isomerase, Mikrokristalline
Zellulose, Hydroxypropylmethylcellulose, Maltose, Schellack,
Hydroxypropylcellulose, Talkum, Ammonsulfat, Polyvinylpolypyrrolidon,
Acetylierte Stärke, Carboxymethylcellulose, Glycerin, Natriumcarbonat,
Titandioxid (E 171)
Preis
Beim Preis ist der deutlichste Unterschied zu merken. Fructosin kommt auf ca. 0,7 Euro pro Kapsel – ja nachdem ob im Netz oder in der Apotheke gekauft, Fructaid auf ca. 0,37 Euro pro Kapsel. Fructaid hat also einen klaren Preisvorteil. Wobei das täuschen kann, da wir ja nicht wissen wieviel Fruktose eine Kapsel umsetzt. Sollte es z.B. nur ca. 3g pro Kapsel sein, dann wäre es preislich gleich wie Xylosolv. Für diese Theorie spricht die Verzehrempfehlung (1-4 Kapseln bei Fructaid und 1-2 Kapseln bei Xylosolv). Hier müssen wir also noch abwarten und auf Infos seitens Pro Natura hoffen. (Vgl. Updates – es gibt dazu mittlerweile Daten)
Wo kann man es kaufen?
Fructosin ist wie gehabt nicht in Deutschland erhältlich, sonst fast überall in der EU. Sowohl über Apotheken, als auch über das Netz. Fructaid, grade frisch eingeführt, ist aktuell in einigen Versandapotheken erhältlich. Meine Apotheke in Österreich musste das Produkt bestellen, da es in Österreich wohl (noch?) nicht in Apotheken gelistet ist. Laut einigen Usern des nmi-Portals ist Fructaid in Deutschland auch schon in Apotheken zu bekommen, wenn auch meistens mit Bestellung. Das ist aber normal bei Produkteinführungen und wird sich vermutlich bald ändern.
Mein in der Apotheke bestelltes Fructaid wird am Dienstag kommen, dann werde ich gleich mal den Selbstversuch starten und mir ein bisschen Obst gönnen. Dass das mit Fructosin klappt, habe ich ja schon mehrfach erfolgreich getestet.
Update 14.07.2016
Zwei Neuigkeiten gibt es. Zum einen habe ich eine große Schüssel mit Ananas, Erdbeeren und Kiwi gegessen. Dazu habe ich 2 Xylosolv genommen. Einige Tage später habe ich dasselbe gegessen und 2 Fructaid genommen. Der Effekt war beide Male der gleiche: keine Beschwerden.
Außerdem hat mir der Hersteller von Fructaid geantwortet. Den Unterschied zu Xylosolv wollte man mir nicht mitteilen, da „wir uns zu Produkten anderer Hersteller nicht äussern„. Ok, das verstehe ich. Genausowenig wollte sich STADA zu Fructaid äußern. Die Frage wieviel Fructose eine Fructaid-Tabeltte umwandeln kann, hat man mir so beantwortet:
„Da das Vermögen der Betroffenen, Fructose im Dünndarm aufzunehmen, verschieden ist und die Menge an benötigten Fructaid® Kapseln je fructosehaltiger Mahlzeit auch von weiteren Faktoren, so z.B. vom Fructosegehalt sowie der Menge und Zusammensetzung der verzehrten Mahlzeit/Speise, abhängt, machen wir grundsätzlich keine Angaben zu der Menge an Fructose, die mit einer Kapsel Fructaid® umgewandelt werden kann. Wir empfehlen deshalb die Einnahme von 1 bis 4 Kapseln einige Minuten vor fructosehaltigen Speisen/Getränken, wie in Ziffer 2.5 der Gebrauchsinformation beschrieben (abrufbar unter www.fructaid.de). Wer bereits Erfahrungen mit einem glucoseisomerasehaltigen Produkt gemacht hat, kann diese als Ausgangspunkt für die Einnahme von Fructaid® wählen.„
Vor allem aus dem letzten Satz schließe ich mal, dass kein großer Unterschied zu Xylosolv besteht.
Pro Natura lässt mich auch wissen, dass die Kapseln in jeder Apotheke in Deutschland erhältlich sind und ab 1.8.2016 auch in Österreich verfügbar sein werden. Das sind doch mal gute News!
Nun bleibt noch die Frage offen warum Fructaid das „weltweit einzige Produkt zur Verhütung bzw. Linderung von Verdauungsbeschwerden, die durch Fructose-Malabsorption ausgelöst werden“ ist. Hier stellt der Hersteller klar, dass Fructaid „ein Medizinprodukt auf Basis von Glucose-Isomerase (syn. Xylose-Isomerase) mit der Zweckbestimmung ‚Verhütung/Linderung von durch Fructose-Malabsorption bedingten Verdauungsbeschwerden‘ “ sei und dass es „als Medizinprodukt mit dieser Zweckbestimmung, das sich ausdrücklich und unmittelbar an die Betroffenen richtet“ einzigartig sei. Ok, das stimmt. Xylosolv wird ja unter der Zweckbestimmung der Senkung der Triglyceride geführt.
Fazit: Beide Produkte machen dasselbe und können bei intestinaler Fruktoseintoleranz verwendet werden. Und ich gehe mal davon aus, dass der deutlich niedrigere Preis von Fructaid gegenüber Xylosolv bald mit einer Preisreduktion bei Xylsolv einhergehen wird.
Tabellarischer Vergleich*
Fructaid | Fructosin | |
---|---|---|
Fructose die pro Tablette umgewandelt werden kann | unbekannt | 6,2g |
Durchschnittliche Kosten pro Tablette** (niedrigster – höchster) | 0,37 € (0,31 € – 0,43 €) | 0,73 € (0,55 € – 0,99 €) |
Tabeletten pro Mahlzeit*** | 2-5 | 1-2 |
Kosten pro durchschnittlicher Einnahme*** | 1,48 € | 1,46 € |
Packungsgrößen | 30, 60 und 120 Stück | 10, 30 und 90 Stück |
Günstigstes Preis/Leistungsverhältnis | 120er-Packung | 90er-Packung |
Erhältlich in | GER, AUT; möglicherweise EU | EU, außer GER |
Produkt ist vegan | ja | nein |
Von Betroffenen und vom nmi-Portal getestet und für gut befunden | ja | ja |
*ohne Anspruch auf Vollständigkeit; Änderungen und Ergänzungen vorbehalten; Stand Februar 2018
** Nach Herstellerangabe UVP, Preisschwankungen je nach Anbieter möglich
*** durchschnittliche Erfahrungswerte von Betroffenen
Update 06.02.2018
Fructosin ist wieder am Markt, Xylosolv wurde eingestellt. Mehr Infos in Kürze hier…
Update 19.02.2018
Xylosolv gibt es nicht mehr, dafür wieder Fructaid. Wir haben die obige Tabelle enstprechend angepasst. Grundsätzlich ist die Zusammensetzung von Fructosin identisch mit Xylosolv. Der Preis änderte sich jedoch, Fructosin ist etwas günstiger geworden als es Xylosolv war. Da es mittlerweile Erfahrungsberichte von Betroffenen gibt, können wir die Kosten pro Mahlzeit einschätzen. Das Ergebnis: Beide Produkte sind in etwa gleich teuer.
Quellen
1) http://www.fructaid.de, abgerufen am 6.7.2016
2) https://www.nahrungsmittel-intoleranz.com/allgemeines-2/news-rund-um-intoleranzen/1111-fructosin-wird-vom-markt-genommen.html
3) Laut Hersteller; https://www.alles-essen.at/produkte/xylosolv.html
Bildquellen: Stada AG xylosolv.at; Pro Natura – fructaid.de
4) https://www.alles-essen.at/produkte/fructosin.html; abgerufen am 6.2.2018
5) Presseaussendungen STADA, 12.2.2018