Letzte Aktualisierung am 9. September 2024 von Dr. Michael Zechmann-Khreis
Nicht immer ist eine Nahrungsmittel-Intoleranz wie Laktose- oder Fructoseintoleranz der Grund für Verdauungsprobleme. Neben vielen anderen Faktoren kann es sich auch um eine sogenannte Dünndarmfehlbesiedlung (DDFB, engl: SIBO) handeln.
Die Dünndarmfehlbesiedlung tritt bei etwa 10-20% der Bevölkerung auf, ist also durchaus nicht selten. Diese Fehlbesiedlung ist oft die Folge von unbehandelten bzw. unerkannten Nahrungsmittel-Intoleranzen, kann aber auch durch andere Erkrankungen oder Umstände, wie zum Beispiel Morbus Crohn, Kurzdarmsyndrom oder fortgeschrittenes Lebensalter hervorgerufen werden.
Bakterien im Darm
Nicht nur in unserem Dickdarm, sondern im gesamten Verdauungstrakt leben Bakterien. Je nach Abschnitt kommen verschiedene Bakterienarten – und wir reden von Tausenden verschiedenen Arten – vor. Am Anfang des Verdauungsapparates tummeln sich eher Bakterien der Gattung Streptococcus und Lactobazillus, im Dickdarm zum Beispiel Clostridien oder Bifidobakterien.
Bakterien leben meist in Kolonien, das heißt sie sind nicht einzeln unterwegs, sondern treten in Ansammlungen auf. Während sich im Magen und am Anfang des Dünndarms zehntausende solcher Bakterienkolonien tummeln, sind es im Dickdarm einige Milliarden. Dieses Mikrobiom (früher nannte man das Mikrobiom „Darmflora“) stellt einen sehr wichtigen Faktor in der Verdauung dar. Die Bakterien helfen uns dabei Nahrung aufzuspalten, verteidigen uns gegen Krankheitserreger oder stellen für uns Vitamine her. Noch vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass die Darmflora zwar „da“ sei, aber keine große Bedeutung habe. Schön langsam beginnt die Wissenschaft die Relevanz des Mikrobioms zu verstehen. Die Mikrobiomforschung ist eine junge Disziplin und steht noch ganz am Anfang, viele neue Erkenntnisse können in den kommenden Jahren erwartet werden.
Bakterien im falschen Abschnitt des Darms verursachen Beschwerden
Kohlenhydrate werden im Dünndarm resorbiert. Alles, was nicht im Dünndarm verarbeitet wird, gelangt in den Dickdarm. Diese beiden Darmabschnitte werden durch die sogenannte Ileozökalklappe voneinander getrennt. Wenn diese Klappe nicht richtig schließt oder durch vermehrte Blähungen aufgedrückt wird, können Bakterien aus dem Dickdarm in den Dünndarm einwandern und schon dort beginnen Kohlenhydrate zu verdauen. Das nennt man „Bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms“ oder englisch „small intestine bacterial overgrowth syndrome“ und kürzt es entsprechend der Bezeichnung Dünndarmfehlbesiedlung „DDFB“ oder englisch SIBO ab. Die typischen Symptome sind Blähungen, Durchfälle, häufiger Stuhldrang und Stuhlgang, Schmerzen und natürlich auf Dauer Mangelerscheinungen. Beschwerden als Folge der DDFB treten meistens relativ bald nach dem Essen auf, da diese Bakterien ja sehr weit vorne im Darm, also am Anfang des Verdauungsapparates, leben.
Symptome der Dünndarmfehlbesiedlung
Die Symptome sind Blähungen, Durchfälle, häufiger Stuhldrang und Stuhlgang, Schmerzen und natürlich auf Dauer Mangelerscheinungen. Die Symptome der Dünndarmfehlbesiedlung treten meistens relativ bald nach dem Essen auf, da diese Bakterien ja sehr weit vorne im Darm, also am Anfang des Verdauungsapparates, leben. Meistens treten die Symptome 20-30 Minuten nach dem Essen auf.
Diagnose und Behandlung der Dünndarmfehlbesiedlung
Eine Dünndarmfehlbesiedlung lässt sich sehr leicht durch einen H2-Atemtest diagnostizieren und kann durch entsprechende Antibiotikagabe gut behandelt werden. Für den H2-Atemtest verwendet man bei Verdacht auf Dünndarmfehlbesiedlung Glukose oder Laktulose als Testsubstanz, aber auch während des Fruktose-H2-Tests kann man eine DDFB erkennen. Die Testinterpretationen sind dann aber unterschiedlich.
Bei Laktulose: Getestet wird mit 10g Laktulose. Ist der Wert nach 90 Minuten schon um mehr als 20 ppm angestiegen bzw. höher als die Werte nach 120 oder 180 Minuten, ist eine Dünndarmfehlbesiedelung anzunehmen.
Bei Glukose: Getestet wird mit 50g Glukose. Hier gilt generell ein Anstieg von mehr als 20 ppm zum Ausgangswert als positiver Befund. Glukose wird sehr schnell aufgenommen und erreicht oft gar nicht die hinteren Abschnitte des Dünndarms, weshalb der Laktulosetest zur Diagnose einer Dünndarmfehlbesiedlung vorgezogen werden sollte.
Auch ein Fruktose-Atemtest (Getestet wird mit 25g Fruktose), der bei Verdacht auf eine Fruktoseintoleranz gemacht wird, kann Aufschluss geben. Hierfür ist wichtig, dass man in der ersten Stunde alle 10-15 Minuten pustet und dann ca. alle 30 Minuten. Ergibt die Messkurve zwei Extremwerte, einmal nach ca. 30 Minuten und dann noch einmal ab ca. 110 Minuten, so muss man von einer DDFB und einer Fruktoseintoleranz ausgehen. Gibt es nur den ersten Extremwert, hat man nur eine DDFB, gibt es nur den zweiten Extremwert, hat man keine DDFB, dafür eine Fruktoseintoleranz.
Ist eine Darmfloraanalyse sinnvoll?
Nicht wirklich. Heimtests sagen nur aus, welche Bakteriengattungen (nicht aber die diagnostisch relevanten Arten oder Unterarten!) sich im Darm, vor allem im Mastdarm, befinden. Sie können keine Aussage zu den verschiedenen Darmabschnitten und deren Besiedlung treffen.
Bildlich gesprochen: Stell dir vor, du fährst mit einem Cabriolet durch einen Tunnel. An drei Stellen im Tunnel rieselt entweder roter, blauer oder grüner Sand von der Decke. Wenn das Auto aus dem Tunnel hinausfährt, hat es also roten, blauen und grünen Sand im Fahrerraum. Der Fahrtwind verwirbelt den Sand natürlich und bläst ihn teilweise auch wieder aus dem Auto hinaus. Auf Grund des Sandgemisches (bzw. aus einer kleinen Stichprobe des Sandgemisches) kannst du unmöglich sagen, wo im Tunnel welcher Sand von der Decke rieselte und auch nicht wieviel. Sagen wir, du hast sehr viel mehr grünen Sand im Auto. Das könnte heißen, dass der grüne Sand am Ende herunterrieselt, es könnte aber auch heißen, dass er in enormen Mengen am Anfang herunter gerieselt ist.
Stellt man sich unseren Darm also als Tunnel vor und die Bakterien als bunter Sand, kann ein Heimtest also nicht darstellen, wo im Darm wie viele Bakterien welcher Gattung sitzen.
Behandlung der Dünndarmfehlbesiedlung
Die Behandlung ist unkompliziert und erfolgt mittels Antibiotika und Darmfloraaufbaupräparaten (für deren Auswahl übrigens keine Darmfloraanalyse notwendig ist). Natürlich ist auch wichtig, die Ursache der Dünndarmfehlbesiedlung zu behandeln bzw. zu beseitigen. Denn verschiedene Grunderkrankungen verlangen natürlich nach verschiedenen Behandlungsmethoden.
Quellen
- Zechmann, M, Masterman, G., „Erste Hilfe nachd er Diagnose“, 2017, Berenkamp-Verlag; 5. Auflage
- World J Gastroenterol. 2014 Mar 14;20(10):2482-91. doi: 10.3748/wjg.v20.i10.2482 / Irritable bowel syndrome and small intestinal bacterial overgrowth: meaningful association or unnecessary hype.
- Uday C. Ghoshal, Ratnakar Shukla, and Ujjala Ghoshal / Gut Liver. 2017 Mar; 11(2): 196–208. Published online 2017 Mar 15. doi: 10.5009/gnl16126 / PMCID: PMC5347643PMID: 28274108, Small Intestinal Bacterial Overgrowth and Irritable Bowel Syndrome: A Bridge between Functional Organic Dichotomy
- Ghoshal UC, Srivastava D, Ghoshal U, Misra A. / Eur J Gastroenterol Hepatol. 2014 Jul;26(7):753-60. Breath tests in the diagnosis of small intestinal bacterial overgrowth in patients with irritable bowel syndrome in comparison with quantitative upper gut aspirate culture.